Stoff, der Wasserperlen abweist. Das Bild steht für die Schadenabwehr bei Managerhaftung

Anspruchsvolle Abwehr im Schadenfall

Die Abwehrschutzfunktion der D&O-Versicherung gewinnt aufgrund der steigenden haftungsrechtlichen Inanspruchnahmen mehr und mehr an Bedeutung. Wie wichtig diese ist, zeigt sich vor allem bei Insolvenzschäden, weil hier die Verteidigung besonders anspruchsvoll ist.


Mit Insolvenzschäden meinen die D&O-Versicherer im Wesentlichen Ansprüche der Insolvenzverwalter wegen Schmälerung des Gesellschaftsvermögens nach Insolvenzreife – daher auch der Ausdruck Masseschmälerungshaftung. Diese Ansprüche machen zahlenmäßig zwar nur einen geringen Teil der D&O-Schäden aus, stellen die Versicherer und auch die betroffenen Geschäftsleiter aufgrund der beträchtlichen Forderungen, die bisweilen aufgerufen werden, aber vor große Herausforderungen.

Rutscht ein Unternehmen in die Insolvenz, werden sich also deren Geschäftsleiter früher oder später mit derartigen Anspruchssituationen auseinander zu setzen haben.

Geringe Hürden für die Inanspruchnahme

Was Masseschmälerungsansprüche so gefährlich macht, sind die vergleichsweise geringen Hürden, die ein Insolvenzverwalter überwinden muss, um den Anspruch darzulegen. Dagegen stehen betroffene Geschäftsleiter vor einer gewaltigen Aufgabe, was auch damit zu tun hat, dass der Gesetzgeber die Beweislast umkehrt.

Will sich ein Geschäftsleiter gegen Masseschmälerungsansprüche verteidigen, liegt es an ihm darzulegen und zu beweisen, dass er entweder die Insolvenz nicht verschleppt oder aber die behaupteten masseverringernden Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vorgenommen hat.

Gerade letzteres scheint aufgrund der mittlerweile hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – so wird es bisweilen suggeriert – ein nicht zu bewältigendes Unterfangen zu sein. Nicht dass dem Geschäftsleiter ein solcher Nachweis nicht möglich wäre, der Bundesgerichtshof hat in einer Vielzahl von Entscheidungen diejenigen Konstellationen herausgearbeitet, in denen vor dem Insolvenzantrag vorgenommene Zahlungen nicht erstattet werden müssen, weil sie entweder das vorhandene Gesellschaftsvermögen schon nicht schmälern oder aber, weil sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vorgenommen worden sind. Es ist vielmehr der damit verbundene enorme Aufwand in zeitlicher und finanzieller Hinsicht, der im Rahmen der Anspruchsabwehr entfaltet werden muss, um die nicht bestehende Insolvenzreife oder die Privilegierung der einzelnen Zahlungen nachzuweisen. Exemplarisch sei für einen der Fälle, in denen eine Zahlung nicht nach § 64 GmbHG a.F. bzw. § 15b InsO n.F. zu erstatten ist, auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus der jüngeren Vergangenheit vom 18.04.2014 – II ZR 231/13 aber immer noch aktuell verwiesen, in der das oberste Gericht klargestellt hat, dass die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. Dem ist unwidersprochen zuzustimmen, denn so weit und sobald eine masseschmälernde Zahlung durch eine unmittelbar mit dieser Zahlung im Zusammenhang stehende Gegenleistung ausgeglichen wird, ist der Zweck des § 64 S. 1 GmbHG a.F. bzw. § 15b InsO n.F., nämlich im Interesse der Gläubiger die Masse zu erhalten, erreicht (vgl. auch BGH Urt. vom 04.07.2017 – II ZR 319/15).

Doch damit nicht genug, die Masseschmälerungsansprüche bedrohen die Geschäftsleiter regelmäßig auch in ihrer Existenz, nicht nur weil sie die eingeforderten Beträge aus ihrem privaten Vermögen nicht aufbringen können, sondern auch, weil die Verschleppung der Insolvenz eine Straftat darstellt, die regelmäßig verfolgt wird und schlimmstenfalls zu einem befristetem Berufsausübungsverbot führen kann.

Unberechtigte Ansprüche abwehren

Wie wichtig die Abwehrfunktion der D&O-Versicherung ist, zeigt sich insbesondere in den Fällen, in denen sich Geschäftsleiter zu Unrecht in Anspruch genommen fühlen, weil sie davon überzeugt sind, sich nichts haben zu Schulden kommen lassen.  

Im Gegensatz zu einer klassischen Rechtsschutzversicherung für Manager, die nur die Rechtsschutzkosten absichert, unterstützt der D&O-Versicherer die Versicherten zusätzlich auch in der Anspruchsabwehr, ein nicht zu unterschätzender Mehrwert.

Ferner führt der Abwehrkostenschutz einer D&O-Versicherung zu Waffengleichheit zwischen Versicherten und Insolvenzverwaltern, die bei Großinsolvenzen in der Regel finanziell gut aufgestellt sind und mit hochspezialisierten Rechtsanwaltskanzleien aufwarten. Der Abwehrkostenschutz stellt gleichermaßen sicher, dass die Versicherten von den Kosten für die Anspruchsabwehr freigehalten werden.


Schadenbeispiel

Dass eine Verteidigung für die betroffenen Geschäftsleiter erfolgreich sein kann, soll an dem nachfolgenden fiktiven Schadenbeispiel, das sich jederzeit so zutragen kann, kurz geschildert werden:

Die versicherten Personen sind bzw. waren Geschäftsleiter eines größeren Unternehmens aus der Schienenfahrzeugbranche mit Jahresumsätzen im dreistelligen Millionenbereich.

Der Gesellschaft ging es finanziell grundsätzlich gut, sie war mit Finanzierungszusagen ausgestattet und agierte ohne nennenswerte Bankdarlehen. Großaufträge, die den Fortbestand des Unternehmens über einige Jahre sicherstellen sollten, waren vorhanden und in der konkreten Anbahnung. Dennoch musste der zuletzt verantwortliche Geschäftsleiter wegen einer strategischen Neuausrichtung auf Gesellschafterebene und einer nicht vorhersehbaren Entscheidung eines beteiligten Kreditinstituts, Insolvenzantrag stellen. Der bestellte Insolvenzverwalter konnte aus den Geschäftsunterlagen, die er routinemäßig durchforstet, ersehen, dass das Unternehmen über eine D&O-Versicherung mit einer beträchtlichen Versicherungssumme verfügt.

Es kam, wie es kommen muss. Bereits nach kurzer Zeit meldete sich der Insolvenzverwalter beim D&O-Versicherer und zeigte die Inanspruchnahme der Geschäftsleiter A und B in Millionenhöhe an, weil er der Ansicht war, dass diese gegen das Masseschmälerungsverbot verstoßen haben. Gleichzeitig forderte der Insolvenzverwalter von Geschäftsleiter A auch noch Schadensersatz wegen falsch kalkulierter Aufträge, insgesamt also eine beträchtliche Forderung.

Nun, wie hat der Insolvenzverwalter seine Ansprüche begründet?

Mit einer schon lange vor dem Insolvenzantrag bestehenden Überschuldung und fehlerhaft kalkulierten Projekten, die nur Verluste erwirtschaftet hätten.

Der Insolvenzverwalter zeigte auf, dass die positive Fortführungsprognose bei retrograder Betrachtung bereits nach kurzer Zeit weggefallen sei und den erforderlichen Prognosezeitraum von 24 Monaten nicht ausfüllte. Der Insolvenzverwalter nahm dies zum Anlass zu behaupten, die Fortführungsprognose sei negativ, weshalb spätestens ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der positiven Fortführungsprognose in der aufzustellenden Überschuldungsbilanz keine Fortführungswerte, sondern Liquidationswerte, die er eigens hierfür ermittelt hat, anzusetzen seien.

Das Ergebnis: die Aktiva lagen unterhalb der Passiva, das Unternehmen war damit rechnerisch überschuldet. Die nach diesem Zeitpunkt geleisteten Zahlungen erreichten Beträge im mehrstelligem Millionenbereich, die die in Anspruch genommenen Geschäftsleiter nun erstatten sollten.

Was die monierten Auftragskalkulationen angeht, so sollen diese nicht kostendeckend kalkuliert gewesen sein. Dies habe eine eigens vom Insolvenzverwalter vorgenommene Nachkalkulation ergeben.

Die Geschäftsleiter fielen, nachdem sie den blauen Brief vom Insolvenzverwalter erhalten haben, aus allen Wolken. Sie waren sich sicher, rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt zu haben. Auch sollen sämtliche Aufträge, wie in der Vergangenheit auch, korrekt kalkuliert gewesen sein.

Zumindest gingen vergleichbare Aufträge in der Vergangenheit immer auf. Sie waren fest entschlossen, sich gegen die aus ihrer Sicht unbegründeten Vorwürfe zu verteidigen.


Jahrelange Abwehrschlacht

Nach einer über Jahre andauernden und mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbundenen Verteidigung stellte sich heraus, dass die Behauptung des Insolvenzverwalters, die positive Fortführungsprognose sei bereits nach wenigen Monaten weggefallen, juristisch auf wackeligen Füßen stand. Umfangreiche Gutachten bestätigten dies.

Der Insolvenzverwalter hatte im Rahmen seiner rückblickenden Betrachtung der Fortführungsfähigkeit das damalige, in der Pipeline befindliche Neugeschäft mit den prognostizierten Einnahmen schlicht nicht berücksichtigt. Rückblickend gesehen mag dies bei einigen Aufträgen zutreffend gewesen sein, weil die Kunden diese insolvenzbedingt zurückgezogen haben. Diese späteren Erkenntnisse des Insolvenzverwalters haben aber keine Auswirkungen darauf, dass das Unternehmen aus ex-ante-Sicht über eine positive Fortführungsprognose verfügte, weshalb die Geschäftsleiter nicht verpflichtet waren, eine rechnerische Überschuldungsprüfung vorzunehmen, die im Übrigen weder bei Ansatz von Fortführungswerten noch von marktgerechten Liquidationswerten anzunehmen war. Da Zahlungsunfähigkeit bis zuletzt ebenfalls nicht vorlag, erwiesen sich die erhobenen Ansprüche wegen Masseverringerung als unbegründet. In diesem Zusammenhang konnte auch aufgeklärt werden, dass Geschäftsleiter A die monierten Großaufträge seinerzeitig richtig kalkuliert hatte und er für den späteren Ausfall nicht haftbar gemacht werden konnte.

Fazit: Abwehrschutzfunktion und Freistellungsfunktion stehen grundsätzlich gleichwertig nebeneinander. Der anhaltende Trend, immer häufiger die Organhaftung zu bemühen, führt  dazu, dass sich die Geschäftsleiter immer häufiger gegen diese Vorwürfe – ob nun im Rahmen der klassischen Organhaftung oder der Masseschmälerungshaftung – verteidigen wollen und den Abwehrkostenschutz aktiv in Anspruch nehmen. Denn für eine qualifizierte Anspruchsabwehr in Organhaftungsfällen ist es heutzutage keine Seltenheit mehr, dass Beträge im 6-stelligen Bereich aufgebracht werden müssen, um den Sachverhalt aufzuarbeiten, die Unternehmensunterlagen, die sich in der Regel immer im Unternehmen bzw. im Zugriffsbereich des Insolvenzverwalters befinden, auszuwerten und die damit gewonnen Erkenntnisse juristisch aufzuarbeiten. Bereits hieran zeigt sich die Werthaltigkeit einer zuvor abgeschlossenen D&O-Versicherung.

Rechtsschutz Schadenfall

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