D&O-Kolumne: Schmarrn

Ein Schmarrn ist eine süße Mehlspeise, Kaiserschmarrn beispielsweise. Gleichzeitig handelt es sich um ein Synonym für Unfug. Was ich soeben gelesen habe, ist Letzteres und lässt sich nur durch kleinere oder größere Mengen des Ersteren ertragen. Glucose stärkt bekanntlich den Gleichmut.


Es geht um Folgendes: Soeben habe ich gelesen, dass der österreichische Oberste Gerichtshof im November 2020 über eine Deckungsklage gegen einen D&O-Versicherer entschieden hat. Geklagt hatte ein früheres Vorstandsmitglied wegen ihm zur Abwehr von Schadenersatzansprüchen „seiner“ früheren Gesellschaft entstandener Anwaltskosten in Höhe von 738.457,96 EUR.

Der Versicherer hatte die Deckung insbesondere mit dem Argument abgelehnt, die Gesellschaft habe ihren Schadenersatzanspruch im Wege der Prozessaufrechnung gegen den Versicherten geltend gemacht. Das sei zwar innerhalb der einjährigen Nachhaftung geschehen. Die Aufrechnungseinrede im Prozess sei jedoch eine bedingte Erklärung, die erst und nur für den Fall wirksam wird, dass eine gerichtliche Entscheidung den Bestand der Hauptforderung – das ist die Forderung, gegen die aufgerechnet wird – bejaht, weshalb die Wirksamkeit der Aufrechnung erst nach Ablauf der einjährigen Nachhaftung und deshalb nicht mehr im versicherten Zeitraum eintrete.

Das ist ebenso spitzfindig wie Unfug. Da darf man sich nicht wundern, wenn in der Öffentlichkeit immer wieder kolportiert wird, die D&O-Versicherer würden sich im Schadenfall mit windigen Argumenten vor ihrer Leistungspflicht „drücken“. Der Versicherte muss darauf vertrauen können, dass der Versicherer die Leistung erbringt, die er verspricht, und zwar unter denjenigen klar formulierten Bedingungen, unter denen er sie verspricht.

Mit spitzfindigen Auslegungen im Schadenfall muss der Versicherte nicht rechnen. Das gilt erst recht für Auslegungen, die allenfalls Juristen zugänglich sind, auf die ein rechtlich nicht bewanderter Versicherter aber überhaupt nicht kommen kann. Folgerichtig hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass es für die Beurteilung, wann der Versicherungsfall eingetreten ist, nicht auf die prozessualen Wirkungen einer Aufrechnungseinrede ankomme, sondern alleine darauf, dass die Aufrechnungserklärung das ernstliche Verlangen nach Schadenersatz zum Ausdruck bringt.

Nichts anderes kann, darf und muss ein Versicherter erwarten, alles andere wäre Schmarrn. Typisch für einen Schmarrn ist übrigens, dass während der Zubereitung der Teig grob in kleine Stücke zerteilt und durchmischt wird. Ein Kaiserschmarrn ist also im Grunde ein Pfannkuchen, zerteilt. Und eine Aufrechnungserklärung ist ein Versicherungsfall, unzerteilt.

Die OGH-Entscheidung vom 25.11.2020 ist unter 7Ob127/20g abrufbar.

Aufrechnungseinrede

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