Die Rechtsschutzfunktion in der D&O-Versicherung – wichtig, aber bitte richtig!

Die D&O-Versicherung besteht im Kern aus zwei Leistungsversprechen. Im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung steht dabei häufig die Freistellung der versicherten Person im Falle einer begründeten und versicherten Inanspruchnahme als zentrales Versprechen des Schutzes des Privatvermögens der versicherten Personen.


Ebenso relevant ist für die betroffene versicherte Person jedoch die zweite Komponente der D&O-Versicherung, ihre Rechtsschutzfunktion. Wird eine versicherte Person mit unbegründeten Ansprüchen konfrontiert, stellt sich der D&O-Versicherer schützend vor sie und wehrt diese ab. Dazu gehört vor allem, der versicherten Person einen Anwalt zur Seite zu stellen, sollte diese nicht selbst bereits einen solchen beauftragt haben. Doch das ist nicht alles, auch die erforderlichen Kosten für die anwaltliche Verteidigung trägt der Versicherer.

Existenzbedrohend hohe Summen

Das ist nicht unwesentlich, weil in einem D&O-Haftungsfall häufig hohe Forderungen geltend gemacht werden, die sich auch auf die Höhe der zu erwartenden Rechtsschutzkosten auswirkt. Beides summiert sich durchaus zu existenzbedrohend hohen Summen. Zudem nimmt die Aufarbeitung eines oftmals einen langen Zeitraum umfassenden Sachverhalts viel Zeit in Anspruch. Selbst bei unbegründeten Ansprüchen treibt das die Verteidigungskosten in die Höhe und belastet das Privatvermögen versicherter Personen erheblich – würde nicht der D&O-Versicherer einspringen.

Viele sind sich sicher, dass Sie das verauslagte Geld wiederbekommen, wenn sie vor Gericht erfolgreich sind. Die unterlegene Gegenseite zahle dann ja. Doch nicht selten droht ein böses Erwachen, denn die Erstattungen im Falle eines erfolgreichen Gerichtsverfahrens sind auf die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz berechneten Anwaltskosten begrenzt. Nicht vorgesehen ist dagegen, auch darüber hinausgehende Vergütungen zu erstatten, etwa bei einem nach Stundenaufwand kalkuliertem Honorar. Noch „schlimmer“ steht es im Falle einer bloß außergerichtlichen Inanspruchnahme, bei denen die Betroffenen oftmals auf einem Großteil der Kosten sitzen bleiben. Weil es – so der Bundesgerichtshof – zum allgemeinen Lebensrisiko gehöre, mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden, kenne das deutsche Recht einen generellen Kostenerstattungsanspruch für diese Fälle nicht (BGH, Urteil vom 12. 12. 2006 – VI ZR 224/05 ).

Vielmehr muss die abgewehrte erfolglose Inanspruchnahme einen Schadenersatzanspruch der versicherten Person begründen, um sich die Auslagen wiederzuholen. Das ist aber nur selten der Fall. Selbst wenn eine Erstattung aber in Betracht käme, würde diese oftmals erst lange nach der Aufnahme der anwaltlichen Tätigkeit, teilweise erst nach einer jahrelangen rechtlichen Auseinandersetzung, erfolgen. Die versicherte Person müsste in der Zwischenzeit die anwaltliche Vergütung zumindest verauslagen.

Auf ordnungsgemäße Abrechnung achten

Wenn der D&O-Versicherer die Kosten der anwaltlichen Verteidigung übernimmt, ist er aber darauf angewiesen, dass darüber ordnungsgemäß abgerechnet wird. Dabei kommt es nicht selten zu Missverständnissen. Beispiel: Der D&O-Versicherer erteilt eine Rechtsschutzzusage, damit die versicherte Person einen anwaltlichen Verteidiger auf Stundenbasis mandatieren kann. „Plötzlich“ weist der D&O-Versicherer aber die eingereichte Rechnung zurück als nicht ordnungsgemäß gestellt und bittet um Nachbesserung. Viele Betroffene fühlen sich dann im Regen stehen gelassen.

Weil der anwaltliche Vergütungsanspruch grundsätzlich gegenüber der versicherten Person besteht und der D&O-Versicherer diese lediglich von der Vergütungsforderung freistellt, glauben manche, dass sich der D&O-Versicherer mit einem nur vorgeschobenen formal-juristischem Argument vor der Leistung drücken will. Das gefällt weder der versicherten Person noch dem beauftragten Rechtsanwalt. Dahinter steckt aber keine böse Absicht. Denn dem D&O-Versicherer geht es nicht darum, der versicherten Person gleichsam nachträglich ihren einmal durch die Rechtsschutzzusage gewährten Versicherungsschutz zu entziehen oder dem Anwalt die berechtigte Vergütung vorzuenthalten – auf dessen Tätigkeiten ist der D&O-Versicherer ja gerade angewiesen. Zwar kann er jedenfalls außergerichtlich auch eigenständig tätig werden, um die versicherte Person zu verteidigen. Doch das findet seine Grenze spätestens dort, wo der Fall „vor Gericht geht“ und zwingend eine anwaltliche Vertretung erfordert.

Worum es stattdessen geht, ist die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der die während eines abgerechneten Zeitraums ergriffenen Maßnahmen auch bei einem stundenbasierten Honorar nachvollziehbar sein müssen. Konkret bedeutet das, dass etwa angegeben werden muss, welche Akten und Schriftstücke durchgesehen, welcher Schriftsatz vorbereitet oder verfasst, zu welcher Rechts- oder Tatfrage welche Literaturrecherchen angestellt oder zu welchem Thema mit welchem Gesprächspartner gesprochen worden ist. Dagegen sollen allgemeine Hinweise auf Aktenbearbeitungen, Literaturrecherchen und Telefongespräche nicht ausreichen, weil sie laut BGH jedenfalls bei wiederholter Verwendung inhaltsleer seien und sich ohne wirkliche Kontrolle geradezu beliebig ausweiten lassen (BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19).

Keine Freistellung ohne Grund

Wenn sich auf einer anwaltlichen Rechnung der tatsächlich geleistete Aufwand nicht mehr nachvollziehen lässt, ist die Vergütungsforderung nach den Vorgaben des BGH nicht schlüssig dargelegt, sie ist also zivilprozessual unbegründet. Sieht sich die versicherte Person aber mit einer unbegründeten Forderung konfrontiert, so besteht auch deckungsrechtlich keine Pflicht zur Freistellung hiervon.

Diese Situation ist vergleichbar mit der Inanspruchnahme einer versicherten Person beispielsweise aufgrund einer angeblich unsachgemäßen Kalkulation von Einkaufspreisen für eine Vielzahl von Produkten, wobei aber lediglich eine einzige pauschale Schadensumme genannt wird. Auch hier wäre es für eine schlüssige Schadendarlegung erforderlich, die Einzelansprüche, also die den einzelnen Produkten zuzuordnenden Anteile am Gesamtschaden, konkret darzulegen. Vermag dies die Anspruchstellerin nicht, wäre die Forderung unschlüssig und damit unbegründet. Es käme hierbei niemand auf die Idee, von dem D&O-Versicherer zu verlangen, eine derart pauschal behauptete Schadensumme dennoch zu zahlen, zumal derartige Zahlungen stets aus der Versicherungssumme entnommen werden würden, die sodann nicht mehr für die Freistellung von tatsächlich begründeten Forderungen zur Verfügung stehen würde.

Nach alledem bleibt festzuhalten, dass die Aufforderung, anwaltliche Abrechnungen vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung „nachzubessern“ nicht den Versuch darstellt, der versicherten Person den Versicherungsschutz für die Anspruchsabwehr zu versagen oder dem mit der Verteidigung befassten Rechtsanwalt seine entstandenen Vergütungsforderungen unzulässigerweise zu „kürzen“. Im Gegenteil, sie dient der Klärung der Vergütungsforderung, so dass diese auch aus deckungsrechtlicher Perspektive überhaupt erstattet und so die erfolgreiche Verteidigung der versicherten Person sichergestellt werden kann.

Ebenso wie die Tätigkeit des Rechtsanwalts zur Abwehr der gegen die versicherte Person erhobenen Ansprüche ein wesentlicher Bestandteil des Leistungsversprechens der D&O-Versicherung ist, ist der D&O-Versicherer also auch zur Herstellung dieser Erstattungsfähigkeit im gemeinsamen Interesse an einer erfolgreichen Verteidigung der versicherten Person auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem verteidigenden Rechtsanwalt angewiesen.

Abwehrkosten Rechtsschutz

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