Wie Corona die vollautomatisierte Versicherung aushebelt

Eine künstliche Intelligenz entscheidet über den Preis, nachdem sie dem Kunden ein paar einfache Fragen gestellt hat. Was bei Haftpflicht und Hausrat inzwischen klappt, wünschen sich viele auch für komplexe Produkte wie die D&O. Doch ganz so einfach ist es nicht.


Externe Schocks, wie jetzt die Corona-Krise, krempeln einen Markt gehörig um. Das gilt auch für die Versicherungsbranche. Jahrelang haben viele Anbieter ihre Bedingungen immer mehr und mehr vereinfacht, standardisiert und digital fit gemacht, um bei den Vergleichsportalen ganz oben dabei zu sein. Dann kam es dicke: Durch Corona explodieren nicht nur die Preise, häufig sinken auch die verfügbaren Kapazitäten, ganze Versicherungsprogramme stürzen nicht ab, sondern gleich ganz ein. Diese Entwicklung bekommen auch Klein- und mittelständische Unternehmen und ganze Branchen zu spüren, weil sie kaum oder gleich gar keine passenden Deckungen mehr finden.

Renaissance des Underwritings

Mit einem Mal stellen die Anbieter ganze KMU-Portfolien, die ursprünglich dunkel verarbeitet werden sollten, wieder auf einzelvertragliche Prüfung um. Keine KI, keine automatische Regel, sondern wieder ein Mensch bestimmt, ob und wie sich was versichern lässt. Wer seine Verträge verlängern wollte, hat dies kaum „as is“, also wie gehabt, tun können. Der Markt verhärtet sich, die Prämien steigen und von einigen Risiken verabschiedet man sich lieber gleich ganz. Hotels und Kreuzfahrtanbieter haben es schwer, ihre Risiken adäquat zu versichern. Wir erleben gerade so etwas wie eine Renaissance des Underwritings.

Die Folge dessen war und ist ein immenser, administrativer Aufwand, weil Bestände ja zunächst erstmal vollständig gescreent werden müssen. Vormals kerngesunde Unternehmen und ganze Branchen standen und stehen ja noch immer auf der Kippe. Also gilt: entsprechende Unterlagen anfordern, alle Unterlagen sichten, Excel-Listen erstellen, vielleicht ein modernes BI-Tool nutzen, um schneller zu erfassen, wie sich die Krise auf das eigene Portfolio auswirkt. Damit war man gut beschäftigt, so gut, dass Kündigungs-Fristen verkürzt, Ausschreibungen gestartet und teils mit der groben Kelle entschieden wurde, was noch versichert wird und was nicht. An Neugeschäft ist teilweise jetzt noch kaum zu denken. Zu stark sind noch die Nachbeben des vergangenen Renewals, auch was die teils erheblichen Rückstände in der Dokumentation angeht.

Das haben insbesondere auch die Versicherungsnehmer im letzten Renewal zu spüren bekommen. Auch bei ihnen wuchs mit jedem Tag die Unsicherheit – und entlud sich bei den Vermittlern. Selbst bei Verträgen, die bislang geräuschlos liefen, entstand plötzlich ein immenser Beratungsbedarf: Warum muss ich jetzt mehr zahlen? Mein Geschäft boomt doch. Wieso wird meine Police nicht verlängert? Ich habe doch noch nie einen Schaden gemeldet! Viele fühlten sich in Sippenhaft genommen, auch weil – wie einige Vermittler berichteten – nicht immer vorbildlich kommuniziert worden ist. Manch eine der getroffenen Maßnahmen erschien schlicht ungerecht und wenig transparent.

Richtig digitalisieren

Die Branche muss sich fragen, wie sie nächstes Mal reagieren und wie sie jetzt vorgehen will. Gerade Produkte wie die D&O-Versicherung sind von Haus aus schon kompliziert. Corona macht es nicht einfacher. Doch die Welt steht generell nicht still. Erst verstopft ein Schiff den Suezkanal, dann beginnen zwei Länder einen Handelskrieg und unterbrechen möglicherweise schlagartig ganze Lieferketten. Was ist in solchen Situationen gefragt: 100 Prozent Automatisierung mit hochgradig standardisierten Policen? Oder ein digitalisierter Betrieb, der es Underwritern ermöglicht, individuell zu analysieren und dabei schnell auf die dafür benötigten Informationen zuzugreifen?

Gerade im D&O-Geschäft scheint es doch eher darum zu gehen, die Wendigkeit der Organisation zu erhöhen und nicht dessen Durchlaufgeschwindigkeit. Daran dürften auch die Kunden kaum ein Interesse haben. Denn das würde bedeuten, das Risiko allein über die Bedingungen zu steuern und nicht über das Underwriting, getreu dem Motto: „Darf es etwas weniger sein?“ Qualitativ hochwertige, leicht verständliche Wordings verbunden mit einem digital gut aufgestellten Underwriting – das mutet eher wie der geeignete „Impfstoff“ an, um dieser und auch künftigen Krisen gewachsen zu sein. Dann lassen sich auch Neu- und Bestandsgeschäft mit gutem Service und Beratung machen, auch in Zeiten wie diesen.

Es geht also gar nicht so um die Frage, ob, sondern wie sich ein Anbieter digitalisiert. Was zählt, ist, dass die Informationen zügig fließen. Wer seine Software um das Underwriting herum entwickelt, dessen Abläufe berücksichtigt, von der Anfrage über die Verwaltung bis hin zur Verlängerung und der Dokumentation, der verschafft seiner Organisation die nötige Zeit und die Kraft, all das zu bewerkstelligen.

Künstliche Intelligenz Underwriting

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