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Versicherungsberater arbeitet am Laptop auf Sitzsack im Büro

D&O-Kolumne: Kardinäle, Prinzipale und ein Insolvenzverwalter

Bei D&O-Versicherungsfällen kommen auch Kardinalspflichten zum Tragen. Was das ist und worauf Unternehmensleitungen achten müssen, weiß Oliver Lange.

Prinzipale, also etwa Geschäftsführer und Vorstände, sind hingegen „Erste“. Deshalb müssen sie nirgendwo hinreisen, wenn sie nicht wollen. Dennoch ist im Zusammenhang mit ihnen oft von „Kardinalpflichten“ die Rede. Wieso eigentlich? Der D&O-kundige Leser weiß, worauf ich zusteuere: Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Frage, ob ein Geschäftsleiter den Wissentlichkeitsausschluss verwirklicht und deshalb keinen Versicherungsschutz in der D&O-Versicherung hat, vor allem danach zu entscheiden, ob es sich bei der von ihm begangenen Pflichtverletzung um eine Kardinalpflicht handelt oder nicht.

Falls ja, obliegt es im Deckungsprozess ihm, darzulegen, warum sein pflichtwidriges Tun oder Unterlassen doch nicht wissentlich gewesen sein soll. Falls nein, muss hingegen der Versicherer darlegen, aufgrund welcher tatsächlichen Anhaltspunkte das Gericht Wissentlichkeit annehmen können soll. Wenn davon die Rede ist, dass ein Prinzipal eine Kardinalpflicht verletzt habe, geht es also darum, dass ihm eine Niederlage im Deckungsprozess droht, wenn es ihm nicht gelingt, das Gericht durch detaillierten Tatsachenvortrag davon zu überzeugen, warum er trotz Verletzung einer Kardinalpflicht nicht wissentlich, sondern nur fahrlässig gehandelt haben will.

 

Es liegt in der Natur der Sache, dass dies schwierig ist und eher selten gelingt. Denn wer eine wesentliche – und sich ihm als solche aufdrängende – Pflicht verletzt, wird es zwangsläufig schwer haben, erklären zu können, warum er die Pflicht oder sein pflichtverletzendes Verhalten nicht bemerkt haben will. Das hat jüngst das OLG Frankfurt veranschaulicht, womit wir beim Insolvenzverwalter wären. Bekanntlich hat der BGH letztes Jahr entschieden, dass Haftungsansprüche wegen Insolvenzverschleppung, genauer: wegen nach Eintritt der Insolvenzreife vom Geschäftsleiter zugelassener Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen, in der D&O-Versicherung grundsätzlich mitversichert seien, wenn sich nicht aus dem Versicherungsvertrag mit gebotener Deutlichkeit anderes ergibt. Der im Anschluss an dieses Urteil vor dem OLG Frankfurt fortgesetzte Deckungsprozess soll nun aber nicht etwa zu einem Erfolg des aus abgetretenem Recht auf Deckung klagenden Insolvenzverwalters geführt haben, sondern dazu, dass die Klage erneut abgewiesen wurde.

Genaueres ist noch nicht bekannt, lediglich, dass das OLG die Insolvenzantragspflicht des seinerzeit verantwortlichen Geschäftsführers als Kardinalpflicht und den Tatsachenvortrag des Insolvenzverwalters als zur Darlegung einer bloß fahrlässigen Pflichtverletzung nicht genügend gewertet haben soll.

Wenn dieses Hörensagen zutrifft, spricht viel für die Richtigkeit des Urteils. Denn der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Meinung, dass es zu den Hauptpflichten eines Geschäftsleiters gehöre, über die wirtschaftliche Situation „seiner“ Gesellschaft im Bilde zu sein. Hiervon ausgehend ist es nur ein kleiner Schritt zur Kardinalpflicht und zur wissentlichen Pflichtverletzung, zumal eine Insolvenzverschleppung ohnehin umso wissentlicher wird, je länger sie andauert.

Schließen wir mit John Henry Kardinal Newman, der gesagt haben soll: „Nichts wäre passiert, wenn wir so lange gewartet hätten, bis wir etwas so gut können, dass niemand mehr Mängel finden würde.“ – Das muss man auf sich wirken lassen, gerade im Zusammenhang mit D&O-Fällen aller Art.

ich eine höchstrichterlich rechtskräftig für unwirksam erklärte AVB-Regelung befindet, darüber informieren muss, völlig unabhängig davon, ob bereits ein Versicherungsfall angezeigt worden ist oder nicht. Wie gesagt obliegt es dem Versicherer nach Meinung des BGH, dem Irrtum vorzubeugen, dass eine in den AVB vereinbarte leistungsbegrenzende Klausel wirksam sei, damit der Versicherungsnehmer nicht zu durch den unwirksamen AVB-Text verursachten Fehlentscheidungen veranlasst werden kann.

Nicht ganz so klar ist, wer eigentlich wen informieren muss, wenn der Versicherungsvertrag – wie im Fall der D&O-Versicherung – eine Fremdversicherung beinhaltet, bei der Versicherungsnehmer und Versicherte unterschiedliche Personen sind. Die Antwort auf diese Frage wird sich danach richten müssen, dass der BGH mit der Informationspflicht des Versicherers über die Unwirksamkeit einer AVB-Regelung einen klauselbedingten Irrtum des AVB-Lesers vermeiden will. Folglich hat der Versicherer den erwartbaren Leser zu informieren. Will sagen: Solange der Versicherer die AVB nur dem Versicherungsnehmer überlassen hat, muss er auch nur ihn informieren. Gibt er die AVB, etwa anlässlich eines Schadenfalls, an einen Versicherten heraus, wird er zusätzlich diesen informieren müssen. Überlässt hingegen der Versicherungsnehmer die vom Versicherer erhaltenen AVB einem Versicherten, wird es nach Treu und Glauben dem Versicherungsnehmer obliegen, neben den AVB auch die vom Versicherer erhaltene Information über die Unwirksamkeit einer AVB-Regelung an den Versicherten weiterzuleiten.  

 

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