So will der Gesetzgeber Corona-Insolvenzen vermeiden

Die wirtschaftliche Not vieler Unternehmen durch die Corona-Krise spiegelt sich weiterhin nicht in einem Anstieg der gemeldeten Unternehmensinsolvenzen wider. Im Jahr 2020 zeigte sich eine stetig sinkende Zahl eröffneter Regelinsolvenzverfahren, bis sich im November (+5 %) und Dezember (+18 %) eine Umkehr des Trends abzeichnete. Diese Entwicklung wurde nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wieder beendet.


Im April 2021 sanken die Unternehmensinsolvenzen um 9% im Vergleich zum April 2020.

Wesentlicher Grund für diese rekordverdächtigen Tiefstwerte war die für fast ein Jahr modifizierte gesetzliche Lage im Insolvenzrecht. Vom 1. März bis zum 30. September 2020 waren Unternehmen, deren Insolvenzreife – Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhte und die Aussichten darauf hatten, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, von der Insolvenzantragspflicht befreit.

Ab dem 1. Oktober 2020 war ein Insolvenzantrag bei Zahlungsunfähigkeit wieder verpflichtend, bei Überschuldung galt die Befreiung weiterhin bis Jahresende. Für Unternehmen, bei denen die Auszahlung der zwischen dem 1. November 2020 und dem 28. Februar 2021 beantragten staatlichen finanziellen Hilfeleistungen noch ausstand, war die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bis zum 30. April 2021 ausgesetzt.

Auf diesem Hintergrund ist zwischenzeitlich in rekordverdächtiger Zeit (erster Referentenentwurf am 18. September 2020) zum 01. Januar 2021 das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) in Kraft getreten. Dieses Gesetz dient insbesondere der Umsetzung einer EU-Richtlinie vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren. Neben Änderungen der Insolvenzordnung ist das Herzstück des SanInsFoG die Einführung des StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen).

Durch die neuen Regelungen im StaRUG wird es für in Schwierigkeiten geratene Unternehmen nun möglich sein, ohne das Stigma der Insolvenz mittels des Restrukturierungsrahmens eine Einigung mit den Gläubigern durch Mehrheitsentscheidungen zu erreichen, ohne dass jeder einzelne Gläubiger einem sinnvollen Vorschlag zur Lösung der Krise zustimmen müsste. Die Zustimmung obstruierender Gläubiger zu einem Sanierungsplan kann danach durch gerichtliche Entscheidung ersetzt werden. Mit dem Gesetz soll sichergestellt werden, dass insbesondere die von der Covid-19-Pandemie betroffenen Unternehmen, die (lediglich) drohend zahlungsunfähig (neu definiert in § 18 InsO) sind, von den im Gesetz vorgesehenen Erleichterungen profitieren und von der Möglichkeit einer außerhalb des Insolvenzverfahrens stattfindenden Restrukturierung Gebrauch machen können.

Daneben werden durch das SanInsFoG auch Änderungen beispielsweise im GmbHG und im AktG vorgenommen. Für die D&O-Versicherung ist insoweit unmittelbar von besonderer Bedeutung, dass beispielsweise die Masseschmälerungsansprüche des § 64 GmbHG und der §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 zum 01.01.2021 entfallen sind. Stattdessen findet sich nunmehr in dem neuen § 15b der Insolvenzordnung eine zentrale und rechtsformneutrale Norm zur Regelung der Ansprüche bei Verstößen gegen Zahlungsverbote: § 15b InsO.

Ausdrückliche Regelungen in Versicherungsbedingungen zur Erweiterung bzw. Klarstellung des Versicherungsschutzes dahingehend, dass von Insolvenzverwaltern erhobene Ansprüche gemäß § 64 GmbHG und der §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 gegen Geschäftsführer und Vorstände der versicherten Unternehmen wegen Verstößen gegen Zahlungsverbote nach Eintritt der Insolvenzreife versichert gelten, passen somit von ihrem Wortlaut her nicht mehr. Hier müssen Bedingungswerke entsprechend textlich angepasst werden.

Aber auch bis zu dieser Änderung besteht einschlägiger Versicherungsschutz. Denn der Bundesgerichtshof (IV ZR 217/19, Urteil vom 18.11.2020) hatte, noch bezogen auf § 64 GmbHG, entschieden, dass aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch Ersatzansprüche gemäß § 64 GmbHG versichert gelten müssen. Es ist anzunehmen und zu erwarten, dass diese Entscheidung auch auf § 15b der Insolvenzordnung übertragbar ist.

Vor diesem Hintergrund ist somit davon auszugehen, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auch die Haftung entsprechend § 15b der Insolvenzordnung zumindest für die Verträge als versichert gilt, bei denen bereits bedingungsseitig Masseschmälerungs-ansprüche (§ 64 GmbH und vergleichbare) explizit mitversichert sind, wenn nicht besondere Deckungsvereinbarungen (Insolvenzausschlüsse oder dergleichen) dem im Einzelfall ausdrücklich entgegenstehen.

So dürfen auch nach dem neuen § 15b InsO nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der juristischen Person keine Zahlungen mehr für diese vorgenommen werden. Dies gilt jedoch nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, § 15 b Absatz 2.

Diese Neuregelung stellt jedenfalls insofern eine Entschärfung der Organhaftung dar, als dass nach bisherigem Recht allein der Umstand, dass eine Zahlung der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dient, nicht dazu führt, dass sie als sorgfaltsgemäß und damit haftungsrechtlich privilegiert anzusehen ist. Diese inhaltlich weiter gefassten privilegierten Zahlungen werden aber zeitlich derart stark beschränkt, so dass der Einwand von privilegierten Zahlungen in der Praxis nahezu irrelevant bleiben wird. Denn ist der nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt (spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung ) verstrichen und hat der Antragspflichtige keinen Antrag gestellt, sind Zahlungen in der Regel nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Insolvenzverwalter werden jedoch regelmäßig einen viel, viel längeren Zeitraum geltend machen.

Günstiger scheint sich hingegen die Neuregelung zum Schaden darzustellen. § 15b Absatz 4 Satz 1 statuiert einen (Schadens-) Ersatzanspruch, bei dem vermutet wird, dass der Gläubigerschaft ein Schaden in Höhe der verbotswidrig geleisteten Zahlungen entstanden ist. Der Gegenbeweis eines geringeren Schadens der Gläubigerschaft wird jedoch ausdrücklich in Satz 2 zugelassen, so dass wohl auch die der Gesellschaft gegenüber erbrachten Gegenleistungen zu berücksichtigen sind. Hierzu bleibt die Entwicklung der entsprechenden Rechtsprechung abzuwarten.

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