Heute Morgen – es ist Samstag, 5.30 Uhr – blätterte ich im Internet und las als Erstes, dass VW nunmehr einen „Milliardenbetrag von Ex-Chef Winterkorn“ fordere. Interessant, dachte ich mir, oder aber jedenfalls geeignet für die Kolumne.
Ich bin ja nun Kolumnist und brauche Themen. Und eine Milliarde ist doch wohl ein Thema. Das sind ja keine „Peanuts“ wie die einst von Hilmar Kopper so bezeichneten rund 50 Millionen DM offener Handwerker-Rechnungen, die Jürgen Schneider bei der Insolvenz seines Immobilienimperiums hinterließ.
Also weiterlesen, dachte ich mir. Und las Erstaunliches. In öffentlich-rechtlicher Quelle hieß es, von Winterkorn werde kein glatter Betrag gefordert, sondern „eine krumme, genau berechnete Summe.“ Unglaublich! Dann muss an der Forderung etwas dran sein. Wenn sie sogar genau ausgerechnet ist. Das beeindruckt den Rechnungsempfänger noch einmal mehr, wenn die Rechnungssumme nicht nur schön hoch ist, sondern auch noch krumm und schief. Andererseits: Mir persönlich wäre es völlig wurscht, ob jemand eine Milliarde oder ein krummes Vielfaches von mir haben möchte. Für mich wäre das eine Nichtforderung, also das Gegenteil dessen, was sie vorgibt zu sein. Was wohl W. dazu denkt?
Weiter war zu lesen, dass W. die „krumme, genau berechnete Summe“ nicht aus seinem Privatvermögen bezahlen könne. Schau an, wahrscheinlich reicht es nicht ganz. Aber für den Rest ist er ja versichert. Mit 500 Millionen EUR angeblich, durch mehrere Versicherer unter Führung der Zurich. Mit denen werde nun „kräftig gefeilscht“. Allerdings: Wie groß wird die Bereitschaft der Versicherer sein, zu feilschen, wenn sie mit einer Nichtforderung konfrontiert sind? Der psychologische Trick, mit einer hohen Anfangsforderung einen relativ hohen Vergleich vorzubereiten, zieht nicht, wenn der Gegner erfahren ist und lässt sich leicht kontern, indem auf die Milliardenforderung mit einem Nullgebot reagiert wird. Was Z. als führender Versicherer wohl tun wird?
Also alles doch recht langweilig, dachte ich. Nichts wirklich Neues. Boreout, sozusagen.
Nur eines gab mir zu denken: Das eigentlich Interessante an Nachrichten ist stets nicht das, was berichtet, sondern das, was gerade nicht berichtet wird. Warum also wird der VW-Aufsichtsrat nirgends erwähnt? Hat er seinerzeit keine Rolle im „Dieselskandal“ gespielt? Oder soll die pressewirksame Nichtforderung gegen W. im Grunde nur davon ablenken, dass „hinter den Kulissen“ möglicherweise bereits an einem Deal gearbeitet wird? Schließlich werden die VW-Aktionäre einem künftigen Vergleich zustimmen müssen und dazu bedarf es ihrer psychologischen Vorbereitung. Hierzu gehört Übrigens auch, die Affäre so lange hinzuziehen, bis die Öffentlichkeit ihrer überdrüssig ist. Aus Latein-Erinnerungen hoffentlich richtig hervorgekramt: Tempus fugit intentio quoque.