„Die VOV war ein No-Brainer für mich“

Sören Rettig ist gebürtiger Berliner, sozialisierter Hamburger, hat in Köln Jura studiert, in Melbourne seinen Master gemacht und mehr als fünf Jahre bei einer großen Wirtschaftskanzlei gearbeitet. 2020 wechselt er zur VOV, wegen des guten Namens, vor allem aber wegen der inhaltlichen Herausforderungen.


Sören, was reizt Dich am D&O-Geschäft?

D&O ist ein besonders stark rechtlich geprägtes Geschäft. Damit meine ich, dass ich als Jurist einen Fall selbst abschließend bearbeiten kann und weniger abhängig bin von anderer Expertise, beispielsweise, wenn es um die Produkthaftung geht. Dann schlägt die Stunde von Technikern und Gutachtern. Ich schätze an meinem Job, dass die rechtliche Bewertung eines Sachverhalts im Mittelpunkt steht. Ausgehend davon finde ich es sehr spannend, mit dem D&O-Markt in einem Wirtschaftssegment zu arbeiten, das sich genau um diese rechtlichen Fragen herum entwickelt hat.

Du kommst aus einer großen Kanzlei und bist zu einem mittelständischen Unternehmen gegangen, warum?

Meine Zeit bei GÖRG war großartig. Ich habe mich auch nicht gegen GÖRG entschieden, sondern für die VOV. Und das war neben meiner D&O-Vorliebe – das hat im Alltag auch vorher schon am meisten Spaß gemacht – der exzellente Ruf, das versammelte fachliche Know-how und die Chance, auch am Unternehmen mitzuarbeiten. Diese Kombination ist ziemlich selten. Als ich die Stellenausschreibung gesehen habe, war das für mich ein No-Brainer.

Haben Deine Kollegen diesen Schritt verstanden?

Das Wechselgespräch war eines der schwierigsten meines Lebens. Ich hatte und habe ein gutes, über die reine Arbeit hinausgehendes Verhältnis zu meinem damaligen Chef und dem Team. Meine Entscheidung kam daher sicherlich unerwartet, wurde aber letztlich auch verstanden. Ich bin also nicht aus Enttäuschung oder im Unfrieden gegangen, im Gegenteil.

Inwiefern, was hat Euch zusammengeschweißt?

Ich komme aus der Nähe von Hamburg und bin auch immer wieder froh, wenn ich meine alte Heimatstadt sehe, dafür bietet sich ja auch das Hamburger VOV-Office an. Studiert habe ich aber in Köln und dort auch die beiden Examina absolviert. In dieser Zeit war ich bei einer anderen renommierten Kanzlei, bevor ich nach meinem 2. Staatsexamen zu GÖRG gegangen bin. Da hat es recht früh schon gut zwischen mir und meinem Chef gepasst.

Ich hatte aber von Anfang an klargemacht, dass ich nach einem halben Jahr wieder ausscheiden werde, um ein Masterstudium in Australien zu absolvieren. Wir haben später dann einen Deal vereinbart: ich mache meinen Master in Australien und im Gegenzug sage ich sofort Bescheid, wenn ich wieder im Lande bin – genau so kam’s, er hat seinen Deal eingehalten und ich meinen. Das verbindet. Wir schätzen uns sehr. Mein Wechsel war also wirklich rein fachlich getrieben.

Bist Du zufrieden mit Deiner Entscheidung?

Auf jeden Fall. Wenn ich mir einen Job schnitzen dürfte, wäre das genau dieser. Hoher fachlicher Anspruch, ansprechendes Umfeld und ich sitze, genau wie ich es mir gewünscht habe, bei meinen Fällen im Cockpit. Und, das darf man nicht unterschätzen, bei der VOV ist die Geschäftsleitung immer erreichbar. Es gibt also tatsächlich die viel zitierten „kurzen Wege“. Insofern habe ich viel dessen, was mir an der anwaltlichen Arbeit strukturell gefallen hat, bei der VOV wiedergefunden. Hinzu kommen die Perspektive eines etablierten Unternehmens, die spannende Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen oder die Mitwirkung an strategischen Themen, was über die rein juristische Projekt- oder Fallarbeit hinausgeht und für mich einen großen Mehrwert darstellt.

Was macht die VOV besonders?

Die VOV ist mit einem starken Mittelstandsfokus sozusagen am Puls der Wirtschaft, was die tägliche Arbeit sehr reizvoll macht. Sie lädt zudem einerseits dazu ein, handfeste unternehmerische Prozesse mitzugestalten, andererseits aber auch im Rahmen von Publikationen fachliche Themen noch einmal auf einer abstrakteren Ebene zu durchdringen, was eher einen fachwissenschaftlichen Touch hat. Schon das ist ein Maß an Abwechslung, das man anderswo erst einmal finden muss. Mich ziehen zudem die Leute an, mit denen ich hier arbeiten kann. All das hilft mir auch, das innere Feuer brennen zu lassen. Ich glaube, wenn ich den Rest meines Lebens ein festes Portfolio bearbeiten müsste, würde ich früher oder später beruflich lethargisch werden, so nach dem Motto „entscheidet ja eh jemand anderes und interessiert mich auch gar nicht“. Hier ist das anders, hier habe ich die Chance, meine Hand zu heben, wenn ich etwas beitragen möchte. Und dann kann es auch ganz schnell gehen.

Was kann ganz schnell gehen?

Entscheiden. Schon der Bewerbungsprozess war für mich eine interessante Erfahrung. Kurz nach dem ersten Gespräch folgte das zweite und wenig später kam das Angebot. Das hat alles in allem keine zwei Wochen gedauert. Auch das unterscheidet einen gesetzten Konzern von einem flinken Assekuradeur: Entscheidungen müssen nicht erst durch zig Etagen.

Wie liefen die Gespräche ab?

Zuerst mit Oliver Lange, Volker Huttanus und Kerstin Kolter-Ülker. Wir haben über meinen beruflichen Hintergrund und meine Motivation gesprochen. Oliver legt großen Wert auf selbständige und motivierte Leute, die im Rahmen ihrer Vollmachten selbst entscheiden. Das ist ein großer Vertrauensvorschuss, ohne enges Korsett arbeiten und eigenverantwortlich wirtschaftliche Entscheidungen im Management der Versicherungsfälle zu treffen. Das macht mich auch gegenüber den Betroffenen, die bei uns einen Schaden melden, zu einem besseren und verbindlicheren Partner. Volker war wichtig, dass eine Zusammenarbeit auch dauerhaft sinnvoll sein sollte und ich die VOV nicht als bloße Zwischenstation ansehe. Offensichtlich konnte ich rüberbringen, dass ich das ähnlich sehe (lacht).

Das zweite Gespräch hat Alexander Probst geführt?

Genau. Ich habe das Gefühl, dass Alex gezielt nach Charakteren sucht, die mehr als nur das juristische Fachwissen mitbringen. Und damit geht er offen um. Ich hatte nie das Gefühl, dass Alex im Gespräch bloß eine Checkliste abarbeitet, sondern rausfinden wollte, ob auch das Mindset stimmt.

Das ist ja jetzt schon mehr als ein Jahr her, wie blickst Du jetzt zurück?

Sehr positiv, die VOV hat eine tolle Kultur entwickelt, in die ich mich gut eingelebt habe und mit der ich mich identifizieren kann. Aber ich gebe zu, dass es eine Weile gedauert hat, mich darauf umzustellen, so viele Bälle in der Luft zu halten, weil wir auf den einzelnen Claims Manager gerechnet eine ziemlich hohe Fallzahl bearbeiten. Als Anwalt dagegen hatte ich viel weniger Fälle, steckte dafür aber auch richtig tief drin. Jetzt geht es mehr darum, zu merken, wann im mich in Details vertiefen muss und wo das vielleicht nicht nötig ist.

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Hast Du dafür ein Beispiel, für diesen trennenden Blick?

Das lässt sich nicht so konkret sagen. Bei der Frage beispielsweise, ob wir Rechtsschutzdeckung zusagen oder nicht, brauche ich zumindest nicht jeden Rechtskommentar zum konkreten Fall zu lesen. Wenn ich aber merke, wohin der Hase läuft, muss ich gut überlegen, wie ich mich verhalte. Ob ich mich eher vergleichen möchte oder es auf einen Prozess ankommen lasse. Dann geht’s ans Eingemachte und das ist schon rein rechtlich in Organhaftungsfällen sehr anspruchsvoll.

Was macht die Sache so anspruchsvoll?

Wir befassen uns hier ja mit teils völlig unterschiedlichsten Konstellationen. Einerseits kann sich der bereits verklagte ehemalige Geschäftsführer an uns wenden, andererseits der noch in Amt und Würden stehende, gegenwärtige außergerichtlich in Anspruch genommene Geschäftsführer, der vielleicht auch noch auf anderer Ebene als Gesellschafter beteiligt ist. Manchmal meldet auch die Versicherungsnehmerin selbst einen vermeintlichen Haftpflichtanspruch und möchte hierüber mit uns direkt verhandeln. Neben der grundsätzlichen Gegebenheit, dass A von B Geld sehen möchte, sind die dahinter liegenden Interessenlagen oftmals sehr unterschiedlich, was man erst einmal herausarbeiten und dann rechtlich und wirtschaftlich durchdringen muss. Kommt es dann beispielsweise zu Vergleichsverhandlungen, muss ich mindestens genau so tief in der Materie stecken wie der Anwalt oder die Anwältin auf der Gegenseite. In diesen Situationen bin also auch ich wieder ganz Anwalt. Wenn ich dagegen einfach nur nach Schema F arbeiten wollen würde, wäre ich hier sicherlich falsch (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch.

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