D&O-Kolumne: FBB (BER)

Was soll man sich viele eigene Gedanken machen, wenn es interessante zitierfähige Texte aus anderer Quelle gibt, die dem Publikum möglicherweise nicht hinreichend bekannt sind, es aber verdienen, bekannt zu sein und im kollektiven Gedächtnis zu bleiben. Diesmal: Der Flughafen Berlin Brandenburg.


Eine neuere Quelle – vom 03.07.2021, am 09.08.2021 veröffentlicht als Drucksache 18/4010 des Abgeordnetenhauses von Berlin – ist der „Bericht des 2. Untersuchungsausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin – 18. Wahlperiode – zur Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ (BER) – Untersuchung II“. Dort findet sich allerlei Tiefgründiges, das keinerlei Kommentierung bedarf, beispielsweise folgendes:

„Mit dem Flughafen hatte man es von Anfang an mit einem komplexen Projekt zu tun, bei dem die Anforderungen an die gebäudetechnischen Systeme im Zuge der Umsetzung des Brandschutzkonzeptes hoch waren. (…) Hinzu kam eine Vielzahl an Nutzungs- und Funktionsänderungen, die oftmals parallel zur planerischen und baulichen Umsetzung getätigt wurden. In der Konsequenz ist nicht nur das Terminal an sich in der Fläche größer, sondern dementsprechend ist auch die Erweiterung der technischen Systeme notwendig geworden. Die ständigen Umplanungen und die nicht mehr durchgängigen Planung und Ausführung führten zu einer fehlenden Übersicht über das Bauprojekt und letztendlich zur Absage der Inbetriebnahme im Mai 2012. Die im Ergebnis erfolgte Kündigung der Generalplanerin hatte zur Folge, dass die Flughafengesellschaft das gesamte „Planungs-Know-how“ verloren hatte. Im Nachhinein stellte sich das als grundlegender Fehler heraus und führte zu einer äußerst instabilen Projektsituation. Eine vollumfänglich integrierte und genehmigungsfähige Planung und Ausführung für das Terminal lag nicht vor. Die Flughafengesellschaft war überdies nach Kündigung der Generalplanerin zwangsläufig zum Gesamtkoordinator für alle übergreifenden Planungs- und Bauüberwachungsthemen geworden. Durch die Bindung einzelner Planungsbüros und ehemaliger Subunternehmer ist zwar versucht worden, den „Know-how“-Verlust teilweise zu kompensieren, nur war die Flughafengesellschaft organisatorisch weder in der Lage, diese Planer- und Bauüberwachungstätigkeiten adäquat zu ersetzen, noch die Vielzahl an Schnittstellen zu koordinieren. Insofern war die Einschätzung der Flughafengesellschaft und auch des Aufsichtsrates, dass nur noch Restarbeiten durchzuführen seien und der Flughafen innerhalb kürzester Zeit an den Start zu bringen sei, nicht nachvollziehbar. In dieser Situation mutete es fast schon bizarr an, dass die durch den ehemaligen Technischen Geschäftsführer Amann gestartete Bestandsaufnahme, um den Bautenstand und die Mängel umfassend zu dokumentieren, von seinem Nachfolger Mehdorn nicht konsequent zu Ende geführt worden ist. Die möglicherweise bessere Alternative eines umfassenderen Rückbaus der technischen Anlagen mit komplettem Neuaufsatz der Planung ist gar nicht erst in Erwägung gezogen worden. Stattdessen suggerierte Mehdorn mit der Etablierung seines „Sprint“-Programms und dem Vorschlag einer Teileröffnung („Pre-Opening“) eine schnelle Inbetriebnahme, die mit der damaligen Situation auf der Baustelle nicht in Einklang zu bringen war und eher der Kategorie des blinden Aktionismus zuzuordnen ist. Dass es bis weit in das Jahr 2014 keinen echten Baufortschritt gab, war dementsprechend auch nicht sonderlich überraschend. Die strukturellen Defizite des Projekts, gerade im Planungs- und Bauablauf, konnten in der Folgezeit auch nicht vollumfänglich abgestellt werden. Gewerke sind weiter nebeneinander statt miteinander geplant worden. Aufgrund der fehlenden Übersicht über den tatsächlichen Bautenstand und der sich daraus immer wieder neu ergebenen Problemlagen kam es zu ständigen Planänderungen, die wiederum bauliche Veränderungen nach sich zogen. Eine über den gesamten Zeitraum erfolgte „gleitende“ Planung war die Folge, in dessen Rahmen die Firmen auf Basis unterschiedlicher Planungsstände ihre Anlagen gebaut und immer wieder an die sich verändernden Rahmenbedingen anpassen mussten. Hinzu kam, dass die Planung mit dem tatsächlichen Zustand auf der Baustelle häufig nicht übereinstimmte.“

„Da im Zuge der gescheiterten Inbetriebnahme 2012 die Übersicht über die Baustelle und das dementsprechend noch abzuleistende Bausoll verloren gegangen war, waren jegliche werkvertraglichen Regelungen mehr oder weniger obsolet geworden. In der Folge musste deswegen fast ausschließlich mit dem Instrument der Anforderung von Leistungen gearbeitet werden. Im Rahmen dessen haben die Firmen von Woche zu Woche auf Abruf per Einzelauftrag gearbeitet. Ohne klar umrissenes Bausoll war das die einzige Möglichkeit überhaupt, die Firmen in die Lage zu versetzen, ihre Ausführungsleistungen verrichten zu können. Die Vereinbarung von festen Fertigstellungsterminen war so nicht möglich. Da diese Art der Leistungsausführung zwangsläufig mit höheren Kosten, aber auch mehr Zeit verbunden war, konnten die Firmen ihre Auftragsvolumina um ein Vielfaches steigern.“

„Während im Businessplan 2014 mit einem Jahresüberschuss im Jahr 2019 und einer möglichen Rückzahlung und der Auszahlung von Dividenden (positives Bilanzgewinnkonto) im Jahr 2025 gerechnet wurde, wird das Erreichen der Gewinnschwelle nach dem Businessplan 2020 im Jahr 2025 und ein positives Bilanzgewinnkonto im Jahr 2036 erwartet. Ob die den Businessplänen zugrunde liegenden Annahmen und Prognosen, insbesondere im Hinblick auf die Einnahmesituation, valide waren, konnte der Untersuchungsausschuss nicht abschließend klären. Diesbezüglich kritisierte der Aufsichtsrat, dass die unternehmerischen Interessen den politischen untergeordnet wurden und die Businesspläne theoretischer Natur seien, und mit der Realität nichts zu tun hätten.“

„Die ursprünglich avisierten Kosten für das Terminal T2 von 100 Mio. Euro sind auf 200 Mio. Euro gestiegen und stammten, anders als die FBB zunächst verlautbart hatte, nicht hauptsächlich aus den gestiegenen Baupreisen, sondern vor allem aus der fehlenden Kalkulationsreife der Planung im Vergabeverfahren. Diese teils unklaren bzw. widersprüchlichen Vergabeunterlagen haben bei den Bietern zu einem erhöhten Aufwand geführt, welche vertraglich zum Nachteil für die Flughafengesellschaft eingepreist wurden. Diese Planungsdefizite bei der Errichtung des Terminals „T2“ und die damit einhergehenden Kostensteigerungen zeigen geradezu beispielhaft, dass die Flughafengesellschaft nicht in der Lage war, ihre Rolle als Bauherr wahrzunehmen und Bauprojekte von der Entwurfsplanung bis zur Fertigstellung zu planen, auszuschreiben und zu begleiten.“

„Die Rolle des Aufsichtsrates bei der Entstehung und Lösung von Problemen im Projektzeitraum kann durchaus als ambivalent beschrieben werden. Zum einen stützte er die Geschäftsführung bei der Kündigung der Generalplanerin, wodurch der Grundstein für das Planungschaos nach der gescheiterten Inbetriebnahme 2012 gelegt wurde. Auch die Fehleinschätzung, der Bau des Flughafens könnte durch den „Krisenmanager“ Mehdorn schnell abgeschlossen und der Flugbetrieb eröffnet werden, führte zu der Beendigung der vom Technikchef Amann begonnenen und im Nachhinein sich als richtig erwiesenen Strategie der Bestandsaufnahme. Der Druck des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführung, Eröffnungstermine zu nennen, ohne dass der Aufsichtsrat einen Überblick über den Zustand der Baustelle hatte, führte zu den mit vielen Prämissen versehenen Inbetriebnahmeterminen 2013 und 2017. Gegenseitige Vorwürfe der mangelnden Informationspolitik der Geschäftsführung bzw. des Eingriffs in das operative Geschäft durch den Aufsichtsrat bestimmten lange Zeit das Verhältnis zwischen der Geschäftsführung und dem Kontrollgremium. Das Auswechseln politischer Funktionsträger gegen Fachleute mit Bau- und Projektsachverstand erwies sich im Nachhinein als richtig. Die vor allem auf Initiative des Landes Berlin eingeführten Baufachgespräche gaben allen Aufsichtsratsmitgliedern die Möglichkeit, sich auch über die Angestellten der mittleren Führungsebenen über die Schwierigkeiten auf der Baustelle direkt zu informieren. Informationspolitik und Berichtswesen konnten so nach und nach verbessert werden. Das konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiter politische Erwägungen gegenüber Unternehmensinteressen priorisiert wurden und auch das Misstrauen zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern nicht verschwand.“

Wie gesagt: Kein Kommentar.

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