Wenn Unternehmen in die Insolvenz rutschen, betrifft das nicht nur Mitarbeitende und Gläubiger – auch Managerinnen und Manager geraten schnell ins Visier. Für D&O-Versicherer bedeutet das: hohe Haftungssummen, komplexe Abwehrverfahren und steigende Kosten. Warum gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten die D&O-Versicherung zur existenziellen Absicherung wird, zeigt dieser Beitrag.
Unternehmensinsolvenzen in Deutschland 2024: Zahlen, Branchen und Ursachen
Das Jahr 2024 war für die deutsche Wirtschaft von einer deutlichen Zunahme der Unternehmensinsolvenzen geprägt. Insgesamt wurden laut Creditreform 22.400 Unternehmensinsolvenzen verzeichnet, was einem Anstieg von 24,3 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Besonders auffällig war der Anstieg der Insolvenzen bei größeren Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten um 44,4 %. Insgesamt sind die Zahlen zwar nicht so hoch wie zu Zeiten der Weltfinanzkrise (damals gab es bis zu 32.000 Unternehmensinsolvenzen pro Jahr), aber sie sind deutlich höher als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.
Zu den größten Insolvenzen des Jahres 2024 zählten namhafte Unternehmen wie Galeria Kaufhof, FTI-Gruppe und Tupperware Deutschland. Diese Insolvenzen hatten erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und führten zu hohen Forderungsausfällen und Arbeitsplatzverlusten. Die durchschnittliche Insolvenzquote – dies ist der Teil, um den sich die Forderung gegen das insolvente Unternehmen noch realisieren lässt – liegt bei einer Unternehmensinsolvenz laut Statistischem Bundesamt bei 6,1 %. D. h., auf jeden Euro Forderung gegen ein insolventes Unternehmen erhält der Gläubiger im Insolvenzverfahren nur ca. 6 Cent. Die übrigen 94 Cent sind uneinbringlich und müssen abgeschrieben werden.
Die Ursachen für den Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2024 sind vielfältig. Sie reichen von Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie über gestiegene Energiepreise, steigende Zinsen und Finanzierungskosten bis hin zu strukturellen Problemen. Im Jahr 2024 besonders stark betroffen waren die Bauwirtschaft, der Einzelhandel und das Gastgewerbe.
Haftungsrisiko des Managements bei Unternehmensinsolvenzen
Managerinnen und Manager stehen im Falle einer Unternehmensinsolvenz vor erheblichen Haftungsrisiken. Sie sind zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet, sobald das Unternehmen insolvenzreif, d. h. zahlungsunfähig oder überschuldet, ist (§ 15a Abs. 1 InsO). Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) liegt vor, wenn 10 % oder mehr der fälligen Verbindlichkeiten nicht bedient werden können. Überschuldung (§ 19 InsO) liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten das Vermögen übersteigen und innerhalb der nächsten 12 Monate Zahlungsunfähigkeit droht. Das Management haftet persönlich für jede Auszahlung aus dem Vermögen des Unternehmens, die nach Eintritt der Insolvenzreife getätigt wird (§ 15b Abs. 1, Abs. 4 InsO). Die Haftung für verbotene Auszahlungen wird vom Insolvenzverwalter des Unternehmens geltend gemacht. Haftungsumfang und die mit dem Haftungsfall einhergehenden Abwehrkosten können existenzbedrohend sein.
Insolvenzverschleppung: Hohe Haftungssummen
Die Insolvenzverschleppungshaftung ist komplex und für die D&O-Versicherer teuer. Weil Managerinnen und Manager, wie erwähnt, persönlich für Zahlungen haften, die nach Eintritt der Insolvenzreife getätigt werden, summieren sich schnell sehr hohe Haftungsbeträge. Sieben- bis achtstellige Haftungsbeträge sind keine Seltenheit. Zur Ermittlung des Haftungsvolumens prüft der Insolvenzverwalter zunächst, wann die Insolvenzreife der Gesellschaft eingetreten ist. Diese Prüfung ist zuweilen aufwendig und kann umfangreiche Rechenwerke erfordern. Damit einhergehende Kosten belasten die Insolvenzmasse und lassen sich nur rechtfertigen, wenn sie im Ergebnis zu Geldzuflüssen in die Masse führen – also zu einer Realisierung der Haftungsansprüche gegen das Management. Ohnehin hat der Insolvenzverwalter ein Interesse an einer möglichst hohen Haftung des Managements. Zum einen ist der Insolvenzverwalter gegenüber den am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubigern verpflichtet, die Insolvenzmasse bestmöglich zu mehren, also für Zuflüsse in die Insolvenzmasse zu sorgen, was durch die Inhaftungnahme des Managements realisiert werden kann. Denn eine höhere Insolvenzmasse kann zu einer höheren Insolvenzquote zugunsten der Gläubiger führen. Zum anderen bemisst sich die Vergütung des Insolvenzverwalters an der Höhe der Insolvenzmasse, die durch Zuflüsse aus realisierten Haftungsansprüchen steigt.
Verteidigungskosten bei Insolvenzverschleppung
Managerinnen und Manager müssen im Fall der Inanspruchnahme versuchen, die Behauptungen des Insolvenzverwalters zu entkräften. Dies ist schwierig und aufwendig, auch weil die relevanten Unterlagen nicht dem Management, sondern dem Insolvenzverwalter vorliegen und der Manager insoweit zunächst das Recht auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen geltend machen muss. Zur Prüfung des behaupteten Anspruchs wird der Manager gegebenenfalls
- Einblick in die Buchhaltung und seinerzeitige Liquiditätsplanungen nehmen müssen;
- prüfen müssen, ob die vom Insolvenzverwalter behaupteten Fälligkeiten der Verbindlichkeiten richtig wiedergegeben oder ob nicht bspw. Stundungsabreden unberücksichtigt geblieben sind;
- prüfen müssen, ob der Insolvenzverwalter wirklich alle relevanten liquiden Mittel berücksichtigt hat, wozu auch kurzfristig liquidierbare Forderungen oder gegebenenfalls auch kurzfristig veräußerbare Warenvorräte gehören können;
- Wertansätze des Jahresabschlusses überprüfen müssen;
- die Zahlungen jeweils auf Richtigkeit und daraufhin überprüfen müssen, ob sie im Einzelfall noch vorgenommen werden durften;
- prüfen müssen, ob Regressansprüche gegen etwaige seinerzeit beauftragte Berater in Betracht kommen, weil diese die Krise hätten erkennen müssen.
Die vorstehenden Punkte zeigen, dass eine Beratung durch einen in diesem Bereich erfahrenen Rechtsanwalt unerlässlich ist. Diese ist aber auch teuer. Denn derart spezialisierte Rechtsanwälte werden in der Regel nur auf Stundenhonorarbasis tätig, wobei Stundensätze von 300 Euro netto und mehr üblich sind. Und es werden erfahrungsgemäß viele Stunden benötigt, um den Sachverhalt aufzuklären und Verteidigungsargumente herauszuarbeiten. Vielfach werden umfangreiche Unterlagen eingesehen und ausgewertet werden müssen. Selbst wenn der Rechtsanwalt ausnahmsweise nicht auf Stundenhonorarbasis tätig werden sollte, wäre auch eine Abrechnung aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Rechtsanwaltsgebühren kostspielig. Denn die gesetzlichen Gebühren bemessen sich nach dem Gegenstandswert, also nach der Höhe des geltend gemachten Haftungsanspruchs. Wie bereits dargelegt, ist dieser regelmäßig hoch. Nach dessen Höhe richten sich zudem auch die Kosten des Gerichts im gerichtlichen Verfahren und die im Falle des Unterliegens an die Gegenseite zu erstattenden Kosten. Gegebenenfalls noch erforderliche Sachverständigengutachten können die Kosten weiter in die Höhe treiben. Die Komplexität der Materie führt zudem dazu, dass sich der Haftungsstreit in die Länge zieht, wodurch wiederum die Kosten steigen. Verfahrensdauern von über zwei Jahren allein für die erste Gerichtsinstanz sind nicht selten.
Die vorerwähnten Kosten und Probleme vervielfältigen sich zudem, wenn weitere Personen in den Streit einbezogen werden müssen. So wird ein Vorstandsmitglied möglicherweise anderen Vorstandsmitgliedern oder Aufsichtsratsmitgliedern den Streit verkünden mit der Begründung, dass diese Personen allein oder zumindest mithaften. Auch die Abwehrkosten dieser weiteren Personen muss der D&O-Versicherer tragen, wenn sie zum Kreis der versicherten Personen gehören. Durch eine hohe Anzahl an Beteiligten wird zudem die Abstimmung noch schwieriger, auch dann, wenn eine Vergleichslösung erzielt werden soll.
Dies alles führt dazu, dass allein die Abwehrkosten schnell ein Ausmaß annehmen können, welches den nicht versicherten Manager finanziell überfordern würde. Weitere mögliche Leistungsfälle, die sich daraus ergeben können, dass auch ein Strafverfahren gegen den Manager wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung eingeleitet wird oder weil durch die Insolvenz geschädigte Gläubiger eigene Haftungsansprüche gegen den Manager erheben, sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.
In der D&O-Versicherung ist es üblich, dass die Abwehrkosten auf die Versicherungssumme angerechnet werden. Die hohen Abwehrkosten führen folglich dazu, dass die Versicherungssumme aufgezehrt wird. Wird bspw. ein Haftungsanspruch in Höhe von 10 Millionen Euro gegen drei Manager erhoben, betragen die Abwehrkosten über drei Instanzen einschließlich Gerichtskosten bereits rund 1,7 Millionen Euro, die auf die Versicherungssumme anzurechnen sind. Weitere, nicht auf die Versicherungssumme anzurechnende Kosten entstehen dem Versicherer dadurch, dass er sich in derart komplexen und teuren Fällen häufig selbst anwaltlich beraten lassen muss.
Fazit: Warum die D&O-Versicherung bei Insolvenz unverzichtbar ist
Dem nunmehr ergangenen Beschluss des BGH liegt der Fall des sog. Edelstahlkartells zugrunde. Klägerinnen in diesem Fall sind eine GmbH und eine AG. Der Beklagte war Geschäftsführer bzw. Vorstand dieser Gesellschaften. Weil die Gesellschaften unter Verantwortung des Beklagten an Preisabsprachen beteiligt waren, verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder gegen die GmbH in Höhe von 4,1 Mio. Euro und gegen den Beklagten in Höhe von 126.000 Euro. Die GmbH verlangt vom Beklagten Erstattung des bezahlten Bußgelds in Höhe von 4,1 Mio. €. Die AG verlangt vom Beklagten Erstattung der Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der Abwehr des Bußgelds einschließlich Ermittlung des Sachverhalts entstanden sind (IT- und Anwaltskosten in Höhe von 1 Mio. €). Während das Landgericht Düsseldorf die Klage der Gesellschaften auf Erstattung des Bußgelds und der damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Rechtsanwaltskosten abgewiesen, in Bezug auf die IT-Kosten der Klage aber stattgegeben hatte, hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf die Klagen insgesamt – also auch bzgl. der IT-Kosten – abgewiesen.