Corona hat die Branche aufgeschreckt. Kapazitäten verknappen sich und immer mehr Unternehmen fällt es schwer, noch passende D&O-Deckungen zu bekommen. Weil die Anbieter auch vor ganze Branchen ein Stoppschild gestellt hätten, stünden kerngesunde Unternehmen teils nackt im Wind, kritisiert Franz M. Held, Senior Executive Advisor bei der VOV.
Herr Held, was ist los in der Branche?
Mein Eindruck ist, dass die D&O-Anbieter ziemlich schnell die Bürgersteige hochgeklappt haben, als die Pandemie ihre volle Wucht entfaltet hat. Statt mit gutem Underwriting hat der Markt zugemacht und damit die Angst vieler Geschäftsleiter geschürt, auch in Unternehmen, die gut durch die Krise kommen. Das haben wir im letzten Renewal gemerkt.
Inwiefern?
Uns haben praktisch permanent verunsicherte Vermittler und betroffene Geschäftsführer angerufen, die sich über ihren Versicherungsschutz für ihre Kunden oder für sich selbst informieren wollten. Den Betrieben fiel es teilweise sehr schwer, angemessene Deckungen zu finden oder auch nur ihre laufenden Verträge zu verlängern. Wir als Branche wären eigentlich gefragt gewesen, Sicherheit zu vermitteln statt die Panik weiter zu schüren.
Haben Sie ein Beispiel dafür, was hätte besser laufen können?
Wir haben spezielle Corona-Fragebögen gesehen, die offenbar pauschal an alle versicherten Unternehmen gingen und in denen Dinge abgefragt wurden, die aus dem Underwriting längst hätten bekannt sein müssen. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie sind Unternehmer und bekommen plötzlich ein mehrseitiges Schreiben, in dem Sie allerlei Angaben machen sollen. Die Leute haben sich angezählt gefühlt, wussten nicht, ob sie jetzt etwas falsch machen konnten, ob sie sich den D&O-Schutz vielleicht auch gar nicht mehr leisten können.
Wir haben keine Erfahrungen mit einer Pandemie. Ist es nicht normal, dass die Versicherer darauf reagieren und vielleicht auch die Preise steigen?
Unser Eindruck ist, dass die Preise vor allem oberhalb des Mittelstandsgeschäfts steigen, weniger für Klein- und mittelständische Unternehmen. Aber es stimmt, dass die Versicherer gerade jetzt genauer hinschauen, auch deshalb, weil der GDV seit Jahren rote Zahlen für das D&O-Segment ausweist. Dagegen kann niemand etwas haben, aber das Angebot einzustellen oder die Kapazitäten drastisch zu verringern, das hat uns doch überrascht. Ganze Branchen unter Generalverdacht zu stellen, schadet dem D&O-Markt.
Wie sehen Sie die Rolle der D&O-Anbieter in dieser Krise?
Wir müssen ausreichenden und nachhaltigen D&O-Schutz anbieten. Beinahe jedes Risiko lässt sich versichern, wenn wir uns genügend Zeit lassen und vernünftiges Underwriting betreiben. Ich sehe in dieser Krise aber auch die Chance, aus den Bedingungen wieder das zu machen, was sie ursprünglich mal waren: Ein Sicherheitsnetz für Geschäftsleiter und keine Eigenschadendeckung.
Wie meinen Sie das?
Der Markt war weich, darum wurden immer mehr Leistungen in die D&O-Verträge hinein verhandelt, die dort gar nicht hingehören. Selbst Schäden, für die ein Manager nicht haften müsste, lassen sich einige Unternehmen vom D&O-Versicherer erstatten. Das höhlt die Idee einer D&O-Versicherung aus. Eigenschäden aus der Deckungssumme zu bezahlen, zielt am Schutzzweck vorbei und benachteiligt die, die eine D&O-Police schützen soll.
Was genau hat das mit Corona zu tun?
Wir beobachten, dass die Risiken durch die Pandemie vor allem die Unternehmensergebnisse bedrohen und weniger die versicherten Manager selbst. Geschäftsleiter passen auf wie die Schießhunde, weil sie gerade jetzt nichts falsch machen wollen. Alle wissen ja, wie ernst die Situation ist. Darum schauen sich die Manager in vielen Unternehmen auch genauer die D&O-Versicherung an, was auch die Bereitschaft beinhaltet, solche Klauseln, die nicht deren Schutz des Privatvermögens dienen, aus den Bedingungen zu streichen. Erst recht, wenn sich so eine Prämienersparnis erzielen lässt. Und das, finde ich, ist eine gute Entwicklung. Der Schutz des Privatvermögens von Managern muss endlich wieder den Kern einer D&O-Versicherung ausmachen.
Wo sehen Sie derzeit die größten Risiken für die Unternehmen?
Insolvenz ist erfahrungsgemäß das größte Risiko, das war schon vor Corona so. Jetzt fangen viele Anbieter zwar an, Insolvenzen auszuschließen. Das ist aber auch das Verdienst einiger Insolvenzverwalter, die besonders häufig klagen und mit durchaus sportlichen Ansprüchen auf betroffene Geschäftsleiter zugegangen sind. Dabei geht es um Summen, mit denen gerade im mittelständischen Bereich kaum jemand privat schon mal zu tun hatte. Aber generell mit Insolvenzausschlüssen zu arbeiten, ist der Sache nicht angemessen.
Derzeit sind die Unternehmen doch aber geschützt, weil die Insolvenzantragspflicht während der Pandemie ausgesetzt worden ist.
Ich glaube, die meisten halten sich mit einem Rettungsring über Wasser, in dem kaum noch Luft steckt. Wer weiß denn schon, was er jetzt genau zu tun hat? Worauf er achten muss, um nicht im Nachhinein doch noch in die Falle zu tappen? Was gut gemeint gewesen sein mag, sorgt in Wahrheit für noch mehr Verunsicherung. Ich rate Betroffenen dringend dazu, sich bei ihren Beratern zu melden und zu prüfen, ob sie sich noch im grünen Bereich bewegen. Hilfreich ist dann, wenn ihre D&O-Versicherungen beispielsweise einen Restrukturierungsbaustein enthält, falls es doch noch hart auf hart kommt.
Was halten Sie von eine persönlichen D&O-Versicherung in dieser Zeit?
Persönliche D&O-Versicherungen sind eine gute Idee. Die versicherten Manager müssen dafür zwar die Prämie selbst bezahlen, doch die bewegt sich meist auf dem Niveau einer Monats-Leasingrate für den Firmenwagen. Sich selbst zu versichern bedeutet aber auch, allein von den vereinbarten Leistungen zu profitieren, garantiert über die volle Deckungssumme zu verfügen und die Police nicht mit anderen teilen zu müssen. Persönliche D&O-Policen verschaffen auch dadurch zusätzliche Sicherheit, weil sie beim Arbeitgeber nicht angezeigt werden müssen. Wenn das erste Halteseil reißt, greift das zweite.
Unternehmens- und persönliche D&O sind nicht doppelt gemoppelt?
Nein, stellen Sie sich das eine wie einen Airbag und das andere wie einen Sicherheitsgurt im Auto vor. Idealerweise fahren sie mit beidem.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Held!