Unsichtbare Sicherheit, sichtbare Wirkung: Der Einfluss von D&O-Versicherungen auf das Entscheidungsverhalten

Führungskräfte stehen täglich vor der Herausforderung, ihre Unternehmen zukunftssicher auszurichten – sie treffen unter anderem strategische Entscheidungen, treiben Innovationen voran und navigieren durch wirtschaftliche sowie rechtliche Unsicherheiten. Doch mit Entscheidungsfreiheit geht auch Verantwortung einher, die im Ernstfall erhebliche persönliche Konsequenzen haben kann – wie risikofreudig kann jemand da agieren, der persönlich haftet? Die D&O-Versicherung fungiert dabei nicht nur als rechtliches Schutzinstrument, sondern auch als psychologischer Hebel, der Entscheidungsfreiheit ermöglichen und Risikobereitschaft fördern kann. Dieser Beitrag beleuchtet, welche Rolle psychologische Sicherheit im Führungsalltag spielt – und wie sie durch gezielte Absicherung messbaren Einfluss auf das unternehmerische Handeln gewinnt.

Haftung in der Praxis – eine unterschätzte Gefahr

In Deutschland haften Mitglieder von Vorständen, Geschäftsführung und Aufsichtsräten – die sogenannten Organe der Gesellschaft – sowohl gegenüber Dritten als auch gegenüber der Gesellschaft selbst. Werden ihnen Pflichtverletzungen nachgewiesen, haften sie in der Regel unbegrenzt mit ihrem Privatvermögen (§ 93 AktG, § 43 GmbHG). Die Zahl der Haftungsfälle gegen Führungskräfte in Deutschland ist in den letzten Jahren gestiegen. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) regulierten die in Deutschland tätigen D&O-Versicherer im Jahr 2023 knapp 7 % mehr Schadenfälle als im Vorjahr. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheiten und der steigenden Zahl an Insolvenzen prognostiziert der GDV einen weiteren Anstieg der Managerhaftpflichtschäden. Zudem erhöhen verschärfte Compliance-Anforderungen den Druck auf Führungskräfte. Fehler bei der Umsetzung neuer gesetzlicher Vorgaben, etwa des Lieferkettengesetzes oder des Hinweisgeberschutzgesetzes, können zu erheblichen Haftungsansprüchen führen.

Diese Entwicklungen betreffen nicht nur Großkonzerne, sondern zunehmend auch kleine und mittelständische Unternehmen. Damit wird die wachsende Bedeutung der D&O-Versicherung als Absicherung gegen existenzbedrohende Haftungsrisiken unterstrichen.
Psychologische Sicherheit als Treiber unternehmerischer Entscheidungen.

Psychologische Sicherheit als Treiber unternehmerischer Entscheidungen

Studien zur Entscheidungsfindung zeigen, dass Personen unter hoher Unsicherheit oft risikoaverser handeln. Zum Beispiel in Kahneman & Tversky (1979) geht es um die Prospect Theory, eine bahnbrechende Theorie zur Entscheidungsfindung unter Unsicherheit. Sie zeigt, dass Menschen Gewinne und Verluste nicht rational bewerten, sondern systematisch verzerrte Entscheidungen treffen. Auch das Werk von Plessner, H., Betsch, C., & Betsch, T. (2008), „Intuition in Judgment and Decision Making“, lässt ableiten, wie Emotionen wie Reue die Entscheidungsfindung beeinflussen.

Dieses Verhalten kann dazu führen, dass Individuen nicht nur risikoaverse Entscheidungen treffen, sondern sogar gänzlich auf Entscheidungen verzichten, um potenzielle negative Emotionen zu vermeiden. Eine D&O-Versicherung kann diesen Effekt abmildern. Sie bietet Führungskräften einen finanziellen Schutzschirm, der es ihnen ermöglicht, Entscheidungen ohne ständige Angst vor persönlichen finanziellen Folgen zu treffen. Dieses „Sicherheitsnetz“ fördert eine größere Risikobereitschaft, da Führungskräfte wissen, dass ihre persönlichen Vermögenswerte geschützt sind, wenn sie im Rahmen ihrer Tätigkeit Fehler machen. Die psychologische Sicherheit, die eine solche Absicherung mit sich bringt, ermutigt sie nicht nur, in risikobehaftete Projekte zu investieren, sondern auch, kreativer zu denken und langfristige unternehmerische Chancen zu ergreifen. Ohne diese Absicherung vermeiden sie oft Entscheidungen, die mit Haftungsrisiken verbunden sind, was zu einer übermäßigen Risikoscheu führen kann. Diese Zurückhaltung könnte langfristig den unternehmerischen Erfolg bremsen, da Führungskräfte wichtige, aber riskante Wachstumschancen vermeiden oder übersehen.

D&O-Versicherung als Bestandteil moderner Corporate Governance

In der modernen Corporate Governance dient die D&O-Versicherung nicht nur als Schutzmechanismus für die Führungskräfte, sondern auch als Signal an Investoren, Aufsichtsräte und Stakeholder. Sie zeigt, dass ein Unternehmen sich der Risiken bewusst ist und Maßnahmen zur Haftungsvermeidung trifft. Besonders in kapitalmarktorientierten Unternehmen kann eine umfassende D&O-Absicherung das Vertrauen der Anteilseigner stärken und zu stabileren Investitionsentscheidungen beitragen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass eine transparente und gut strukturierte D&O-Versicherung ein wesentlicher Bestandteil der Risikopolitik ist. Sie signalisiert verantwortungsbewusste Unternehmensführung und kann dazu beitragen, qualifizierte Führungskräfte zu gewinnen und langfristig an das Unternehmen zu binden.


Fazit

Obwohl direkte wissenschaftliche Belege für den Zusammenhang zwischen D&O-Versicherungen und psychologischer Sicherheit begrenzt sind, spricht die Logik dafür, dass der Schutz vor persönlichen Haftungsrisiken Führungskräfte dabei unterstützt, eine größere Risikobereitschaft zu zeigen. Die D&O-Versicherung spielt also eine zentrale Rolle im Risikomanagement von Unternehmen und verhilft Führungskräften, mit Vertrauen und Verantwortung handeln zu können, ohne ständig die Angst vor persönlichen Haftungsansprüchen zu haben. Sie ist ein entscheidender Bestandteil der unternehmerischen Sicherheitsarchitektur und fördert eine proaktive Risikobereitschaft, die für Innovation und langfristigen Erfolg erforderlich ist. Führungskräfte können transparenter agieren, was wiederum Vertrauen und psychologische Sicherheit im gesamten Unternehmen stärkt.


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