Der Bußgeldregress gegen Manager eines Unternehmens ist ein viel diskutiertes Thema. Dabei geht es zum einen um die Frage, ob ein Unternehmen das gegen es verhängte Bußgeld vom Management im Wege des Schadensersatzes erstattet verlangen, also das Bußgeld an das Management „weiterreichen“ kann. Zum anderen geht es um die Frage, ob dann, wenn es dem Unternehmen erlaubt ist, das Bußgeld an das Management „weiterzureichen“, Versicherungsschutz unter der D&O-Versicherung besteht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nunmehr dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob Unternehmen ihr Management für Kartellbußgelder in Regress nehmen dürfen (BGH, Beschluss vom 11.02.2025, Az. KZR 74/23).
Rechtsgrundlage und Hintergrund
Anders als im Strafrecht – ein Unternehmen kann sich nicht strafbar machen und daher auch nicht mit Strafen im Sinne des Strafgesetzbuches belegt werden – können gegen ein Unternehmen Bußgelder festgesetzt werden (vgl. § 30 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz – OWiG). In der Rechtsprechung spielen vor allem Geldbußen im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Verstößen (§§ 81 ff. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB) eine Rolle. In diesen Fällen wurde gegen das Unternehmen, das sich einen kartellrechtlichen Verstoß (bspw. in Form von Preisabsprachen, vgl. Art. 101 Abs. 1 a) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) hat zuschulden kommen lassen, eine Geldbuße festgesetzt. Im Nachgang versuchte das Unternehmen, welches durch die Festsetzung und Zahlung der Geldbuße einen Schaden erlitten hatte, dann, den Betrag der Geldbuße als Schadensersatz gegenüber denjenigen Managern geltend zu machen, die an dem kartellrechtlichen Verstoß (vermeintlich) beteiligt waren.
Mit derartigen Fällen haben sich bspw. bereits das Arbeitsgericht Essen (Urteil vom 19.12.2013, Az. 1 Ca 657/13) und nachfolgend das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Teilurteil vom 20.01.2015, Az. 16 Sa 459/14 – jeweils: „Schienenkartell“), das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 15.09.2020, Az. 7 HK O 6/16 – „Sanitärkartell“), das Landgericht Dortmund (Hinweisbeschlüsse vom 21.06.2023 und vom 14.08.2023, Az. 8 O 5/22), das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 10.12.2021, Az. 37 O 66/20) und das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 27.07.2023, Az. 6 U 1/22 – jeweils: „Edelstahlkartell“) beschäftigt. Während das Landgericht Dortmund entschied, dass gegen das Unternehmen festgesetzte Kartellbußgelder von den verantwortlichen Managern ersetzt werden können, vertraten das Arbeitsgericht Essen, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Landgericht Düsseldorf und das Oberlandesgericht Düsseldorf jeweils die gegenteilige Auffassung.
Argumente für und gegen den Bußgeldregress
Argumente gegen den Regress
Diejenigen, die sich gegen die Möglichkeit aussprechen, gegen das Unternehmen festgesetzte Kartellbußgelder an das Management „weiterzureichen“, führen vor allem folgende Argumente an:
- Die Unternehmensbuße würde ihren Sinn verlieren, wenn sich das Unternehmen stets beim Management schadlos halten könnte. Es sei der gesetzgeberische Wille, dass das Unternehmen in derartigen Fällen sanktioniert werde. Die Wirkung der Sanktion (Abschreckung) werde beeinträchtigt, wenn sich das Unternehmen beim Management schadlos halten könnte.
- Für Kartellbußgelder bestehe ein ausdifferenziertes System der Geldbußen. Dabei könne nicht nur gegen das Unternehmen eine Geldbuße festgesetzt werden, sondern auch gegen die verantwortlichen Manager unmittelbar, wobei das Gesetz höhere Bußgelder für das Unternehmen als für das handelnde Management vorsehe. Dieses ausdifferenzierte System würde durch einen Bußgeldregress unterlaufen.
Argumente für den Regress
Diejenigen, die sich für die Möglichkeit aussprechen, gegen das Unternehmen festgesetzte Kartellbußgelder an das Management „weiterzureichen“, führen vor allem folgende Argumente an
- Das Unternehmen handele nicht selbst, sondern immer nur durch sein Management. Der Bußgeldregress sei die einzige Möglichkeit, das kartellrechtswidrige Verhalten zu sanktionieren.
- Das Unternehmen werde regelmäßig nicht die gesamte Geldbuße beim Management regressieren können, so dass zumeist ein Schaden bei dem Unternehmen verbleiben werde. Ferner müsse das Unternehmen zunächst in Vorleistung mit der Geldbuße treten und dann den unsicheren Weg des Regresses beim Management beschreiten. Dies entfalte hinreichende abschreckende Wirkung.
- Das ausdifferenzierte System der Geldbußen habe nur Bedeutung im Ordnungswidrigkeitenrecht, nicht aber für die gesellschaftsrechtliche Haftung des Managements.
Die Entscheidung des BGH
Dem nunmehr ergangenen Beschluss des BGH liegt der Fall des sog. Edelstahlkartells zugrunde. Klägerinnen in diesem Fall sind eine GmbH und eine AG. Der Beklagte war Geschäftsführer bzw. Vorstand dieser Gesellschaften. Weil die Gesellschaften unter Verantwortung des Beklagten an Preisabsprachen beteiligt waren, verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder gegen die GmbH in Höhe von 4,1 Mio. € und gegen den Beklagten in Höhe von 126.000 €. Die GmbH verlangt vom Beklagten Erstattung des bezahlten Bußgelds in Höhe von 4,1 Mio. €. Die AG verlangt vom Beklagten Erstattung der Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der Abwehr des Bußgelds einschließlich Ermittlung des Sachverhalts entstanden sind (IT- und Anwaltskosten in Höhe von 1 Mio. €). Während das Landgericht Düsseldorf die Klage der Gesellschaften auf Erstattung des Bußgelds und der damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Rechtsanwaltskosten abgewiesen, in Bezug auf die IT-Kosten der Klage aber stattgegeben hatte, hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf die Klagen insgesamt – also auch bzgl. der IT-Kosten – abgewiesen.
Da die Frage des Bußgeldregresses europäisches Recht – nämlich wie erwähnt Art. 101 AEUV – berührt, hat der BGH ein sog. Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. Im Zuge dessen wird der EuGH die Frage zu beantworten haben, ob das europäische Recht eine einschränkende Auslegung der deutschen gesellschaftsrechtlichen Haftungsregeln gebietet, also einem Bußgeldregress entgegensteht. Denn die Möglichkeit des Regresses eines gegen das Unternehmen verhängte Bußgeld beim Management könnte die Wirksamkeit der europarechtlich vorgesehenen Kartellgeldbußen gegenüber Unternehmen beeinträchtigen.
Offene Fragen trotz EuGH-Entscheidung
Auch nach einer Entscheidung durch den EuGH werden Fragen offenbleiben. Zunächst wird der EuGH nur die an ihn gerichtete Frage beantworten und im Nachgang der BGH unter Berücksichtigung der Auffassung des EuGH entscheiden. Aber auch dann werden nicht alle Fragen im Zusammenhang mit dem Bußgeldregress geklärt sein. Denn der BGH hat nur über den Regress von Kartellgeldbußen zu entscheiden, nicht über den Regress anderer das Unternehmen treffender Geldbußen aufgrund sonstiger rechtlicher Regelungen.
Bußgeldregress und Versicherungsschutz
Soweit die Frage des Bußgeldregresses beantwortet werden wird, wäre noch zu klären, inwieweit Versicherungsschutz unter der D&O-Versicherung im Zusammenhang mit gegen das Unternehmen verhängten Bußgeldern besteht. Die Beantwortung der Frage hängt zum einen davon ab, ob Bußgelder überhaupt versicherbar sind, was umstritten ist. Denn – wie auch im Falle des Bußgeldregresses beim Management – stellt sich die Frage, ob eine Versicherung des Bußgeldes nicht dessen Abschreckungsfunktion vereiteln würde und daher sittenwidrig und nichtig ist. Ferner hängt die Frage maßgeblich vom zugrunde liegenden D&O-Bedingungswerk ab. Sieht das Bedingungswerk keine besonderen Regelungen vor, hat sowohl das Unternehmen keinen Anspruch gegen den Versicherer auf Erstattung einer gegen es verhängten Geldbuße wie auch der Manager nicht wegen einer gegen ihn verhängten Geldbuße. Soweit das Unternehmen selbst betroffen ist, stehen ihm im Grundsatz schon keine eigenen versicherungsvertraglichen Ansprüche zu. Ferner stellt die Festsetzung eines Bußgeldes gegen das Unternehmen oder gegen den Manager keinen Versicherungsfall dar. Denn der Versicherungsfall in der D&O-Versicherung ist regelmäßig definiert als die Inanspruchnahme einer versicherten Person zum Ersatz eines Vermögensschadens wegen einer bei der versicherten Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung. Die Festsetzung einer Geldbuße ist keine derartige Inanspruchnahme.
Anders ist dies beim Bußgeldregress, also wenn das Unternehmen einen Manager wegen einer gegen es verhängten Geldbuße auf Ersatz des damit einhergehenden Schadens in Anspruch nimmt. Vorausgesetzt, dass Geldbußen überhaupt versicherbar sind (s.o.), stellt eine solche Inanspruchnahme grundsätzlich einen Versicherungsfall dar und wäre geeignet, versicherungsvertragliche Ansprüche des Managers zu begründen, nämlich auf Gewährung von Abwehrkostenschutz, soweit die Inanspruchnahme auf Schadensersatz unbegründet ist oder auf Freistellung von dem Schadensersatzanspruch, soweit dieser begründet ist. Allerdings kann ein etwaiger Straf- und Geldbußenausschluss dazu führen, dass versicherungsvertragliche Ansprüche nicht bestehen, wobei derartige Ausschlüsse teilweise nur eine Freistellungsleistung des Versicherers – also die Leistung von Schadensersatz an das Unternehmen – ausschließen, nicht aber die Gewährung von Abwehrkostenschutz, also die Übernahme der Anwaltskosten zugunsten des Managers, der sich gegen den Bußgeldregress zur Wehr setzt.
Schließlich wird in anderen Fällen als Kartellbußgeldern noch zu prüfen sein, ob überhaupt ein versicherter Vermögensschaden vorliegt. Denn wurde das Bußgeld gegen das Unternehmen wegen eines Verstoßes verhängt, der zu einem Personen- oder Sachschaden geführt hat, liegt der Inanspruchnahme auf Ersatz des verhängten Bußgeldes ein regelmäßig nicht versicherter sogenannter Folgeschaden eines Personen- bzw. Sachschadens zugrunde.
Fazit
Durch die Vorlage an den EuGH ist die Frage, ob gegen das Unternehmen festgesetzte Kartellbußgelder vom Management ersetzt verlangt werden können, noch nicht beantwortet. Zudem wird eine Entscheidung zum Regress von Kartellbußgeldern mglw. nicht ohne Weiteres auf den Fall des Regresses anderer Bußgelder übertragbar sein. Es besteht also weiterhin eine erhebliche Rechtsunsicherheit in derartigen Fällen. Das Bestehen von D&O-Versicherungsschutz im Falle des Bußgeldregresses hängt maßgeblich davon ab, ob Bußgelder überhaupt versicherbar sind und von dem jeweiligen D&O-Bedingungswerk sowie von dem Sachverhalt, der dem Bußgeld zugrunde liegt.