Sinn und Zweck einer Serienschadenklausel in der D&O-Versicherung

I. Serienschadenklausel in der D&O-Versicherung

Die Serienschadenklausel in der D&O-Versicherung spielt eine bedeutende Rolle für Unternehmen und ihre Führungskräfte. Sie besagt in der Regel, dass alle Versicherungsfälle, die aus einer einzigen Ursache resultieren, als ein einziger Versicherungsfall betrachtet werden. Durch diese Klausel wird eine maximale Entschädigungsgrenze in Höhe der vereinbarten Versicherungssumme für alle in Zusammenhang stehenden Ansprüche festgelegt.

Ein beispielhafter Auszug aus den AVB:

„Mehrere zwischen dem Versicherungsbeginn und dem Ende der Nachmeldefrist eintretende Versicherungsfälle, denen dieselbe Pflichtverletzung einer oder mehrerer versicherter Personen zugrunde liegt, gelten unabhängig von der Anzahl der Inanspruchnahmen als ein Versicherungsfall. Diese gelten als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der erste den Serienschaden auslösende Versicherungsfall eingetreten ist.

Entsprechendes gilt für Versicherungsfälle, denen mehrere, von einer oder mehreren versicherten Personen begangene Pflichtverletzungen zugrunde liegen, wenn diese für denselben Vermögensschaden ursächlich sind.“  

Zweck dieser Regelung ist, dass für die einzelnen und zusammengefassten Versicherungsfälle einer jeden Schadenserie die Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung gestellt werden soll. Insoweit soll eine Schutzfunktion zugunsten des Versicherers erreicht werden. Die Leistung aus der Versicherung wird begrenzt.

II. Beispiele

Ein Geschäftsführer eines Unternehmens versäumt die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrages. Diversen Gläubigern entstehen durch die verspätete Insolvenzantragstellung Vermögensschäden. Die Geschädigten machen Ihre Ansprüche nacheinander in verschiedenen Versicherungsjahren geltend.

In diesem Fall werden alle Anspruchserhebungen wie ein Versicherungsfall behandelt und der Versicherer muss die Versicherungssumme nur einmal aufbringen.

Zwei verschiedene Geschäftsführer begehen mehrere Pflichtverletzungen, die zu demselben Vermögensschaden führen. Die Geschäftsführer werden in verschiedenen Versicherungsjahren nacheinander auf Schadensersatz verklagt.

Die Inanspruchnahmen werden wie ein Versicherungsfall behandelt und der Versicherer muss die Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung stellen.

III. Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vom 13.07.2023 (stark verkürzt dargestellt)

In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13.07.2023 (Az. 9a O 154/23) hinzuweisen. In dieser gerichtlichen Auseinandersetzung wurde ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hintergrund der Entscheidung war das Begehr einer versicherten Person auf einstweiligen Versicherungsschutz aus einer zu ihren Gunsten geschlossenen D&O-Versicherung in Form der Freistellung von Rechtsverteidigungskosten.

Konkret ging es um einen Exzedentenversicherer, welcher im Anschluss an die Grunddeckung in das D&O-Versicherungsprogramm der Versicherungsnehmerin eingetreten und welchem vor Vertragsabschluss ein circumstance reporting aus dem Jahre 2019 vorgelegt worden ist. Der Exzedentenversicherer hat die angezeigten Umstände zum Anlass genommen, Inanspruchnahmen, die auf diesen Umständen beruhen, durch Besonderer Bedingung ausdrücklich vom Versicherungsschutz auszuschließen.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass nach dem Dafürhalten der Kammer des Landgerichts Düsseldorf die durch den Exzedentenversicherer vereinbarten Besonderen Bedingungen nicht zu einem Ausschluss des Versicherungsfalls geführt haben. Nach Auffassung der Kammer haben diese Ausschlüsse die geltend gemachten Haftungsfälle nicht erfasst, da sich diese auf Komplexe in Singapur und den USA im Jahr 2019 bezogen haben und eben nicht auf die seit 2020 in Deutschland anhängigen Klageverfahren.

Der Vertrag  enthielt zudem folgende  Serienschadenklausel :

Einheitlicher Versicherungsfall

Alle Versicherungsfälle, denen dieselbe Pflichtverletzung zugrunde liegt, gelten unabhängig von der Anzahl der Inanspruchnahmen und Verfahren als derselbe Versicherungsfall.

Dies gilt auch für Versicherungsfälle, denen mehrere, von einer oder mehreren versicherten Personen begangene Pflichtverletzungen zugrunde liegen, wenn diese für denselben Vermögensschaden ursächlich oder Gegenstand desselben Verfahrens oder sachlich und zeitlich eng miteinander verbunden sind.

Zuordnung des Versicherungsfalls

Ein Versicherungsfall gilt als alleine in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem

  • a) die erste Inanspruchnahme erfolgt, das erste Verfahren eingeleitet wird oder Versicherungsschutz auslösende Ereignisse im Sinne der 1.1.2 e), oder 4.13 erstmals eintreten oder
  • b) die zum Versicherungsfall führenden Umstände erstmals
    • i. unter einem D&O-Versicherungsvertrag angezeigt oder
    • ii. Gegenstand eines vor Beginn der Vertragslaufzeit anhängigen Gerichts-, Verwaltungsstreit- oder Strafprozessverfahrens wurden,

je nachdem, welcher der früheste dieser Zeitpunkte ist…

Die Kammer des Landgerichts nahm auf diese Serienschadenklausel Bezug und hielt den Versicherungsschutz im Verhältnis zum Exzedentenversicherer für ausgeschlossen. Das Landgericht ging davon aus, dass eine Verklammerung vorliege und von einem Eintritt des Versicherungsfalls erstmals im Jahr 2019 auszugehen ist. Der Versicherungsfall gilt also als alleine in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem die erste Inanspruchnahme erfolgt oder die zum Versicherungsfall führenden Umstände erstmals unter einem D&O-Versicherungsvertrag angezeigt oder Gegenstand eines vor Beginn der Vertragslaufzeit anhängigen Gerichts-, Verwaltungsstreit- oder Strafprozessverfahrens wurden.

Hintergrund dieser Annahme war eine im Jahr 2019 in den USA erhobene Klage. Während der Versicherungszeit des Exzedentenversicherers, also ab dem 01.01.2020, wurden dann in Deutschland Ermittlungsverfahren gegen versicherte Personen eingeleitet sowie Schadensersatzklagen erhoben. Diese Sachverhalte wurden noch im Jahr 2020 im Rahmen einer Schadenmeldung dem Exzedentenversicherer angezeigt.   

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Formulierung der Serienschadenklausel ergab sich ein vorvertraglicher Anknüpfungspunkt unabhängig davon, ob ein wirksamer Versicherungsvertrag bestand. Diese vorvertragliche Anknüpfung führte in der Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass der Eintritt des Versicherungsfalles durch die Verklammerung der Versicherungsfälle bereits vor Beginn des Exzedentenvertrages stattgefunden hat und dementsprechend der Exzedentenversicherer nicht mehr eintrittspflichtig war.

Die hier stark verkürzt dargestellte Entscheidung zeigt anhand eines ganz aktuellen Praxisfalles, welche Auswirkungen eine Serienschadenklausel auf den Versicherungsschutz in der D&O-Versicherung haben kann und welches Streitpotential sich dahinter verbirgt. Nämlich über die Frage, ob die Serienschadenklausel aus der Perspektive des Versicherungsnehmers so gewollt war und ob die Serienschadenklausel in dieser Form einer Zulässigkeitsprüfung standhält. Die Serienschadenklausel als Teil der AVB würde einer AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB zugänglich sein. Im konkreten Fall wurde die Zulässigkeit der Serienschadenklausel jedenfalls durch die Kammer des Landgerichts Düsseldorf nicht negiert.

IV. Auswirkungen auf die Praxis

Liegen die Voraussetzungen einer  Serienschadenklausel vor, gelten mehrere Versicherungsfälle unabhängig von dem Zeitpunkt, in dem sie eingetreten sind,  als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der erste Haftpflichtanspruch geltend gemacht wurde. Dies hat zur Folge, dass alle zu einer Serie verbundenen Versicherungsfälle nach den zum Zeitpunkt der ersten Anspruchserhebung geltenden Vertragsbedingungen und zu der in diesem Zeitpunkt vereinbarten Versicherungssumme reguliert werden. Dies kann sich auch zugunsten der versicherten Personen  auswirken, wenn nach Eintritt eines ersten Versicherungsfalles Einschränkungen im Versicherungsumfang vorgenommen worden sind. Serienmäßige weitere Versicherungsfälle werden dann zu den früheren günstigeren Modalitäten reguliert.  Andererseits kann die Versicherungssumme aus der erstbetroffenen Versicherungsperiode wegen des ersten  Versicherungsfalles bereits aufgebraucht sein, dann muss der Versicherer für Folge-Serienschäden  keine weiteren Zahlungen leisten. Für die aktuell versicherten Personen kann wiederrum ein Vorteil entstehen, wenn die aktuelle Versicherungsperiode nicht identisch ist mit der der Zurechnung über die Serienschadenklausel. Die Versicherungssumme der aktuellen Versicherungsperiode würde dann, wegen der Zurechnung auf den Zeitpunkt des ersten Versicherungsfalls der Serie, unangetastet bleiben.

V. Fazit

Bei der Serienschadenklausel handelt es sich in der Regel um eine Risikobegrenzungsklausel zugunsten des Versicherers. Allerdings kann die Serienschadenklausel auch zugunsten der versicherten Personen  wirken, indem Versicherungsfälle einer Schadenserie durch Verklammerung in eine Versicherungsperiode mit für die versicherten Personen  unter Umständen günstigeren Konditionen gezogen werden. Allerdings zeigt die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vom 13.07.2023, dass ein vorvertraglicher Anknüpfungspunkt in der Serienschadenklausel den Versicherungsschutz gar nicht erst entstehen lassen kann. Insoweit ist bei Vertragsschluss auf den genauen Wortlaut der Serienschadenklausel besonderes Augenmerk zu richten.

Abschließend sei noch der Hinweis erlaubt, dass im Falle einer zusammengefassten und in eine bestimmte Versicherungsperiode gezogenen Schadenserie durch den ersten Versicherungsfall einer Serie die Versicherungssumme bereits aufgebraucht sein kann. Für weitere Versicherungsfälle dieser Schadenserie würde dementsprechend keine Versicherungssumme mehr zur Verfügung stehen und die versicherten Personen würden letztendlich dem Risiko ausgesetzt sein für den Vermögensschaden mit ihrem privaten Vermögen einstehen zu müssen. Dieses Risiko lässt sich unter Umständen mit einer persönlichen D&O-Versicherung für die versicherten Personen minimieren.    

D&O-Versicherung Serienschadenklausel

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